Si tacuisses

 

Lukas 17
5 Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben!
6 Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden, und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.
7 Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen?
8 Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich, und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken.
9 Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde?
10 So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. Einhei z übersetzung


Als Lukas diesen Text schrieb, hat er im ersten Teil auf vorgefundene Tradition zurückgegriffen. Die Bitte der Jünger und die Antwort Jesu finden sich auch an anderer Stelle im NT. Im zweiten Teil haben wir es aber mit Sondergut zu tun, das wir im NT nur hier bei Lk finden.

Der Evangelist ist einverstanden, dass wir uns die beiden Teile nacheinander vornehmen und schlicht und ergreifend folgendermaßen gliedern:

1 »Stärken« oder »Verleihen«?
2 »Freunde« oder »Sklaven«?

1 »Stärken« oder »Verleihen«?
Was man so alles kann! Man kann z.B. eine Arche bauen, sie auf dem Neumarkt aufstellen und warten, bis die Sintflut kommt. Man wird nicht viele finden, die das äußerst vernünftig finden, aber - man kann so handeln. - Auch folgendes kann man tun, und es sieht nur so aus, als sei es keine vernünftige Handlungsweise: Man kann damit aufhören, die Hoffnung aufzugeben, dass denn doch mal irgendwo einer richtig zu denken beginnt. Was dafür spricht?! Die Köpfe der Menschen sind schließlich rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. - Was man aber bestimmt nicht kann: Die Wahrheit mit dem Hammer zertrümmern. Die arg subventionierte Einheits-»Über-setzung« ist sicher ein Hammer. Aber ein untauglicher, wenn es um die Wahrheit geht. Dadurch dass alle immer wieder einen Irrtum von jemandem abschreiben, wird er nicht wahr. Auch wenn die Phonzahl erhöht wird, wird eine falsche Aussage nicht richtig. Ob ich Kamillentee reiche oder die Apfelreibe, eine Schwangere bleibt schwanger und wird nicht noch schwangerer.

Unsere Kirche bietet weithin ein Bild, als hätte es die Menschwerdung Gottes nie gegeben. Jedenfalls wird sie in unserer Kirche (nicht von der Kirche!) hartnäckig verschwiegen. Keineswegs natürlich schuldhaft, gegen besseres Wissen, nein, völlig schuldlos. Aber eben ahnungslos.

Die Schriftgelehrten sind immer die Schlimmsten, damals wie heute! Heute wie damals gilt: Das Grab Christi ist leer. Heute gilt zusätzlich: Die Krippe Christi ist meist leer, die Menschwerdung Gottes wird einfach nicht mehr vollzogen, man begnügt sich mit ganz anderem als dem Weitersagen Gottes unendlicher Güte. Das aber allein, das Sagen dieser uneingeschränkten Menschenfreundlichkeit Gottes ist sein Zurerscheinungkommen, seine Menschwerdung. - Vertrauen kann zu- und auch abnehmen, aber der Glaube nicht. Die ersten Freunde Jesu sind sicherlich »einfache« Leute: Fischer, Zöllner, Handwerker. Aber töricht waren sie nicht, sie haben nicht gebeten: »Stärke« unseren Glauben! So kann nämlich nur sprechen, wer Jesus nicht verstanden hat und »vertrauen« mit »glauben« im Sinn Jesu noch durcheinander wirft.

Gott wird nicht Mensch, damit wir ihm vertrauen, sondern damit wir ihm glauben und das heißt gleichzeitig: ihn glauben. Glauben im Sinn Jesu ist weit mehr als vertrauen, dass etwas wahr ist. Glauben im Sinn des recht verstandenen Christentums ist Erfülltsein vom Heiligen Geist. Erfüllt vom Heiligen Geist sind alle Menschen, weshalb wir unterscheiden zwischen anonymem Glauben und unserem, dem dieses Erfülltsein vom Heiligen Geist zur Kenntnis gebracht worden ist.

Es mag fliegende Fische geben, und ich glaube diese Information, d.h. ich halte die Aussage für wahr. Es gibt aber gewiss keine Fische, die durch die Luft schwimmen statt zu fliegen. Es mag Vögel geben, die durch das Wasser schwimmen können, sobald sie aber fliegen, dann fliegen sie durch die Luft.

Es mag Menschen geben, die den Heiligen Geist leugnen - sogar, obwohl er ihnen sachgemäß und d.h. u.a. verständlich verkündet wurde. Aber es gibt keinen einzigen Menschen, der nicht im Heiligen Geist lebt. Alle Menschen sind in der unendlichen Liebe Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn. Diese unendliche Liebe nennen wir traditionsgemäß den Heiligen Geist, in dem wir fliegen, schwimmen, herumsitzen und Eis essen.

Selbst wer die grenzenlose Liebe Gottes für sich ablehnt, völlig grundlos also die Hölle dem Himmel vorzieht, bleibt innerhalb des Heiligen Geistes. Gott läßt sich nicht manipulieren, er respektiert nur unsere (Fehl-) Entscheidung. Jedes Konzil - vor und nach der Einheits-»Übersetzung« - lehrt, dass alle, die an Jesus den Christus glauben, untereinander in einer wahren Verbindung im Heiligen Geist stehen. (Vgl. II. Vatikanum, LG 15)

Die Jünger hatten gerade begriffen, dass Gottes unendliche Güte es jedem Menschen möglich macht, sieben mal siebzig mal zu verzeihen, als sie ganz natürlich den Wunsch entwickelten: »Schenke uns den Glauben!«

Gottes Heiliger Geist erfüllt die Menschen nicht mal ein wenig und mal ganz viel, weshalb die Bitte um Mehrung nur im Unverstand geäußert werden kann. Ich glaube ganz - oder gar nicht. - Die Einheitsübersetzer mit ihrem »Stärke« unseren Glauben meinen es nicht ein bisschen gut, sondern ganz gut.

Jesus bestätigt seine Jünger, wie es die Aufgabe des Priesters ist: Nehmt dieses Wort, lasst Euch Gottes uneingeschränkte Zuwendung gern gefallen, und Ihr werdet Bäume ausreißen und (vgl. die Mt-Parallelstelle) Berge versetzen.

Bei einem, der für einen Theologieprofessor gehalten wird, las ich dazu: »Für den echten Glauben gibt es kein »Unmöglich«. Der echte Glaube wagt es, gegen die Gesetze der Natur auf die Allmacht Gottes zu bauen.«

Na, denn man los! Verbiegen und verglauben wir Gottes Naturgesetze mal ein bisschen! Bagger verschrotten wir, bevor wir als glaubende Menschen Bäume aus dem Weg räumen oder neue U-Bahnen bauen! Wozu noch (Kirchen)steuern, wenn wir U-Bahn-Stollen doch einfach hin- und Maternushäuser einfach wegglauben können?!

Wenn ich mich darüber richtig freue, dass in mich, der ich mir oft genug als personalisierte Null vorkomme, wie in ein Vakuum die unendliche Liebe Gottes eingeströmt ist, dann ist es zweitrangig geworden, ob ich diesen Baum da herausbekomme oder nicht, ob es lange dauert, bis ich diesen Berg abgetragen habe oder kürzer. Das ist gemeint.

Der Herr Professor meinte zu dieser Stelle, Jesus übertreibe mal wieder. Si tacuisses! Die Allmacht, die dieser gelernte deutsche Professor Gott zuschreiben will, kennt das Christentum nicht. Gott ist nicht potentiell allmächtig, sondern tatsächlich! Es ist nicht so, dass Gott könnte, wenn er nur wollte, sondern er ist in allem mächtig. Und deswegen entmachtet diese bedingungslose Liebe Gottes auch alle Angst des Menschen, nichts kann den Menschen aus der Gemeinschaft mit Gott herausreißen. Der Arzt entmachtet diese Angst, der Anwalt jene, Gott hat bereits alle Angst entmachtet.

Ich habe ein Senfkorn aus dem »Heiligen« Land; es ist tatsächlich mit bloßem Auge kaum zu sehen. - Jesus unterscheidet bei seinem Senfkorn-Bild aber nicht zwischen einem kleinen und einem großen Glauben, etwa zwischen dem kleinen eines Papstes und dem großen eines Kindes. Es ist nicht so, dass sich die Frage ergibt, ob beim »Papst« noch was zu machen wäre! Beim Bild vom Sauerteig wird klar, was gemeint ist.

Der Sauerteig wird im selben Maß saurer wie eine Schwangere schwangerer wird. Während Unverständige eine solche Aussage immer noch für wahr und bare Münze halten, durchsäuert der Teig statt dessen nach und nach immer mehr Bereiche des Lebens. Es werden noch viele Probleme auf uns zukommen, die wir noch nie hatten. Auch glaubende Menschen kommen oft in Neuland. Dann glauben sie ganz oder hören damit ganz auf. Sie durchdringen den fremden Bereich ausgehend vom ganzen Wort Gottes ganz bedingungsloser Liebe ganz, oder sie geben ganz auf.

2 »Freunde« oder »Sklaven«?

Nur das Urtext-Wort »Sklave« statt des hier üblichen Wortes »Knecht« gibt wieder, was gemeint ist: Totale Abhängigkeit. Die Abhängigkeit, in der wir untereinander stehen, wird oft als schmerzlich empfunden. Das ist so, weil es keine totale Abhängigkeit ist. Eine hundertprozentige Abhängigkeit, und in einer solchen befinden wir uns zu Gott, ist aber nichts Negatives: Gerade so, wie wir uns vorfinden, in all unserer Begrenztheit unüberbietbar frei, sind wir nicht ohne Gott, unter keiner Hinsicht ohne ihn. Das ist positiv, obwohl das Wort »abhängig« immer noch negativ klingen mag.

Der Herr im Gleichnis soll dem Normal-Typ aller Herren entsprechen. Jesus wendet sich gegen den pharisäischen Leistungsstolz, der beim Sklaven des Gleichnisses nicht zu finden ist. Das Gleichnis will nicht sagen, dass wir Sklaven sind, sondern dass wir von Gottes Geist in uns nur profitieren, wenn wir ihn uns wirklich gern geschenkt sein lassen.

Der Glaube ist Geschenk, Gnade. Deshalb ist er nicht gegen Leistung aufzuwiegen, er ist nicht zu ertrotzen, er ist nicht käuflich. Der Glaube ist kein Tauschobjekt: Hier meine Werke, her mit der Gnade. - Derselbe Jesus, der nicht uns mit Sklaven vergleicht, sondern unser normales Glaubensleben mit der Selbstverständlichkeit der Anspruchslosigkeit eines Sklaven, derselbe Jesus nennt uns an anderer Stelle ausdrücklich Freunde: »Ich sage hinfort nicht, dass Ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass Ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich Euch kundgetan.« (Joh 15, 15)

Jesus sagt seinen Freunden also nicht, dass sein und unser Vater uns etwa als Sklaven betrachtet. Er meint vielmehr, dass wir aufhören können, uns vor Gott auf unsere Leistungen zu berufen. Wir brauchen auch bei fehlender Leistung vor Gott weder Angst noch Furcht zu haben: Wir sind zur Ehrfurcht befreit!

Recht besehen ist es so, dass Gott sich vor uns fürchtet. Unseretwegen hat Gott vor uns und um uns Furcht. - Wenn Christus in Raum und Zeit zur Erscheinung kommt, wenn also die Worte gesagt werden, deren Geist er ist, dann erscheint Christus nie anders als in Todesfurcht (Todesangst heißt es bei Pascal).

Wenn Gott leibhaftig gesagt wird, wenn also in Zeit und Raum hörbar wird, dass er uns trotz unserer Fehler und Versäumnisse über jedes Maß hinaus liebt, dann ist er uns schutzlos ausgeliefert: Nichts kann er gegen die Willkür unternehmen, die ihn ablehnt.

Begegnet der, der Gott sagt, aber freudiger Zustimmung, d.h. dem Glauben, dann wird die Freude darüber, das neue Leben zu schenken, helfen, die schwere Last des Lebens in Todesfurcht zu tragen.

Gottes unbedingter Liebe zu uns entspricht unbedingte Dienstleistung unsererseits: Erfüllung seines Willens - und damit identisch! - meines Willens.

Das ist allein die Predigt! -
Amen
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27. Sonntag im Jahreskreis - 8. 10. 1989
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