Ver
      legenheit

 Ge

 

Lukas 9
28 Und es begab sich, etwa acht Tage nach diesen Reden, daß er mit sich nahm Petrus, Johannes und Jakobus und ging auf einen Berg, um zu beten.
29 Und als er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders, und sein Gewand wurde weiß und glänzte.
30 Und siehe, zwei Männer redeten mit ihm; das waren Mose und Elia.
31 Sie erschienen verklärt und redeten von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte.
32 Petrus aber und die bei ihm waren, waren voller Schlaf. Als sie aber aufwachten, sahen sie, wie er verklärt war, und die zwei Männer, die bei ihm standen.
33 Und es begab sich, als sie von ihm schieden, da sprach Petrus zu Jesus: Meister, hier ist für uns gut sein! Laßt uns drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Er wußte aber nicht, was er redete.
34 Als er aber dies redete, kam eine Wolke und überschattete sie; und sie erschraken, als sie in die Wolke hineinkamen.
35 Und es geschah eine Stimme aus der Wolke, die sprach: Dieser ist mein auserwählter Sohn; den sollt ihr hören!
36 Und als die Stimme geschah, fanden sie Jesus allein. Und sie schwiegen davon und verkündeten in jenen Tagen niemandem, was sie gesehen hatten.


Die Erklärung der Verklärung ist ganz einfach die Aussage: Unsere Verlegenheit ist Gottes Gelegenheit! - Wer unter uns ist - ganz allein aus sich heraus - angesichts seiner Lebensproblematik auch nur eine Sekunde einmal nicht verlegen?! Viele Aufgaben schaffe ich nicht, auf gelöste Fragen folgen neue. Kein Gut, das ich anhalten, kein Leid, das ich lieben kann. - Nichts in dieser Welt, das uns nicht verlegen macht. Aber unsere Verlegenheit ist Gottes Gelegenheit!

Gott hat also immer und überall Gelegenheit, uns so zu lieben, daß jede dieser Grenzen, die wir - aus uns heraus - nur akzeptieren können, null und nichtig ist. Das heißt Verklärung, und die sollten wir bewundern, hochachten, hochschätzen: anbeten. - Christen tun das - und sonst nichts.

Der einzige Unterschied zwischen evangelischen und katholischen Christen ist der, daß die einen dieses Fest am 15. Januar feiern und die anderen, wir, am heutigen 6. August. - Hat man die theologische Blutgruppe Null, könnte man der Ansicht sein, die römisch-katholische Kirche feierte dieses Fest heute zum fünfhundertzweiunddreißigstenmal oder zum fünfhundertdreiunddreißigstenmal, je nachdem, ob es Papst Kalixtus III. im Jahre 1457 vor oder nach dem 6. August einführte.

In Wirklichkeit hat die Kirche gar nichts anderes, das sie feiern könnte. In der Kirche allerdings wird alles Unmögliche gefeiert.

Es gibt viele, viel zu viele, die das Erleben der drei Jünger für eine »Sternstunde« halten und im Anschluß an diesen Text nur sagen: »Aushalten! Auf schlechte Tage folgen auch wieder solche mit Sonnenschein.«

Zum Beispiel: Ich begann eben: »Und es begab sich, etwa acht Tage nach diesen Reden« - aber so ist der Anfang gar nicht vorgesehen in der Kirche. Offiziell beginnt die Lesung erst so: »Jesus nahm die drei beiseite und stieg ...«

Damit ist die Kirche weg vom Fenster, der Schlüssel zum Text abgeschnitten: Der Text kann gar nicht mehr im Sinn des Autors verstanden werden. Übrig bleibt das Protokoll einer Sternstunde, die mich überhaupt nicht interessiert, weil ich aber auch gar nichts davon habe! - Christus erscheint nicht mal diesem, mal jenem, je für ein Stündchen, sondern er ist der Stern jedes Menschen: Er verläßt den Menschen nie! - Das Geschehen dieser Worte ist Kirche! Kirche ist das Geschehen der Worte, daß die ganze Welt Leib Christi ist, - nicht wird, sondern von Anfang an ist. Kirche ist das »Geschehen einer Stimme aus der Wolke«

Jesus sagte Christus, diese »Stimme aus der Wolke«: Gott. Jesus deckte auf, was ist: Das Werden unserer Welt ist die Weltwerdung Gottes, das Hören dieser Worte und ihr Annehmen die Menschwerdung Gottes. - Wie das Hören dieses Wortes Gottes unbedingter Liebe historisch zugänglich ist und nicht dem Glauben, so entspricht es der Menschheit Christi, und so, wie die Wahrheit dieses Wortes Gottes unendlicher Liebe nur dem Glauben zugänglich ist, so entspricht sie der Gottheit Jesu.

»Nach acht Tagen« - da feiern Christen wieder Abendmahl. Lukas schrieb auf, wie der erste Papst und seine Freunde Johannes und Jakobus einmal andächtig und ehrfurchtsvoll Eucharistie feierten. - Der »Berg« ist kein Bild der besonderen Nähe zu Gott. Wir manipulieren Gott nicht, er ist und bleibt uns so nah, wie er will: Unendlich. Der Berg ist ein Bild der gern genommenen Nähe Gottes. - Ein »Beter« auf dem Berg ist einer, der sich der unbedingten Nähe Gottes freut, das nennt man nämlich beten, wenn man Jesus verstanden hat.

Läßt man sich Gottes grenzenlose Güte gern gefallen, d. h. betet man, dann nimmt man sie in Anspruch. Auf andere Weise geht das nämlich nicht. Und das Annehmen Gottes unbeschränkter Liebe ist das Annehmen einer total anderen Welt. Der Glaubende versteht sich und die Welt total anders: Alle Angst des Menschen ist entmachtet. Eine Aussage, die (einzige) Aussage Jesu, die ausschließlich glaubbar ist, weil sie mit Christus identisch ist.

Nicht nur: Der »Berg« ist für Geographen uninteressant. Nicht die »acht Tage« sind gemeint, die Uhrmacher nachmessen können - wer möchte, feiert eben häufiger Eucharistie - auch die Aussage »das Aussehen seines Angesichts wurde anders« ist Theologie, - Theologie, die grundsätzlich das Glauben nicht erspart: Dir nicht und mir nicht, und Petrus und seinen ersten Freunden auch nicht.

Glaubende sehen in jeder Eucharistie Jesus »betend«, also Christus. Und nicht nur in Gemeinschaft mit Mose und Elia - »Mose und Elia redeten mit ihm« - sondern mit allen, die sich »ihre Heiligkeit für immer bewahrt haben«, wie wir heute sagen für »in Herrlichkeit« miteinander im Gespräch sein. Wer sich seine Heiligkeit für immer bewahrt hat, das ist der, der dabei geblieben ist, sich über Gottes unkündbare Zuwendung zu freuen, der nun nicht mehr glaubt, sondern sieht, richtig sieht. Petrus und seine Freunde kennen das Evangelium Gottes grenzenloser Güte zu Beginn ihrer Eucharistie - genauso wie wir.

Dennoch beginnen sie mit dem Schuldbekenntnis - genauso wie wir. Denn wir haben gehört - wie die Freunde Petri - was Mose und Elia sagen, daß es nämlich nicht möglich ist, das Wort zu haben ohne die Konsequenz, den Mord. Das Sterben für das Wort Gottes, und das ist das »Kreuz«, ist unvermeidbar. Daß dieses Kreuz, die willkürliche Ablehnung, aber kein Ende ist, sondern das »erfüllte Ende«, haben wir auch gehört.

Wir haben es gehört, aber wir haben auch geschlafen. Wir waren auch voller Schlaf, nicht ganz bei uns, nämlich nicht ganz in der Freude über diese Liebe Gottes, die der Heilige Geist selber ist. - Wir wollten auch die Sache »machen«, in die Hand nehmen, statt uns gefallen zu lassen. Hütten bauen! Als käme das Evangelium von Katholikentagen, Hearings zur Neuevangelisierung oder Oekumenetagen.

Wer nicht glaubt, sieht nicht richtig, ist nicht bei sich, »hat« sich nicht, schläft.

»Als sie aber aufwachten«, wieder zum Glauben kamen, wieder Glaubende wurden - Gabenbereitung nennen wir das heute, Gabenbereitung nach dem Schuldbekenntnis - sahen sie nicht nur, daß, sondern sogar wie verklärt, nämlich unangreifbar er in der grenzenlosen und unkündbaren Liebe Gottes ist: Der Betende, der AufDemBerg.

»Er wußte aber nicht, was er redete«, der Hüttenbauer, der Geschaftlhuber, der Oekumenefan. Vielleicht wollte er das Wort Gottes leben statt aus ihm zu leben: Wir leben das Wort Gottes nicht, als lebte es von unseren Gnaden! Die Stimme aus der Wolke geschieht, als Petrus sich engagiert, wenn auch noch so sehr daneben, noch so sehr im Unverstand. - Die Stimme aus der Wolke geschieht, als Petrus nicht dem Kyrios zustimmt, sondern dem Kairos nachläuft, dem Zeitgeist.

Petrus verwechselt, wie wir, aber er ist nicht gegen Christus. Er will sogar entschieden für ihn sein, wie wir, aber er ist es noch nicht ganz verständig. Diese Stelle halte ich für besonders wichtig und auch kostbar: Wenn einer Teufel genannt zu werden verdient, dann nicht der, der sich gegen Christus entschied, sondern der, der sich gar nicht entschied.


Fest der Verklärung des Herrn - Lesejahr C
Dan 7,9-10.13-14; 2 Petr. 1,16-19; Lk 9,28b-36