Dreifaltigkeit

 

Tagesgebet
Allmächtiger Gott, Du gibst uns in Deiner Güte mehr, als wir verdienen, und Größeres, als wir erbitten. Nimm weg, was unser Gewissen belastet, und schenke uns jenen Frieden, den nur Deine Barmherzigkeit geben kann. Darum bitten wir durch Jesus Christus. –
Omnipotens sempiterne Deus, qui abundantia pietatis tuae et merita supplicum excedis et vota, effunde super nos misericordiam tuam, ut dimittas quae conscientia metuit, et adicias quod oratio non praesumit. Per Dominum.


Gestern abend gegen 21:20 Uhr ist mein Vorgänger im Amt des katholischen Seelsorgers im St.Martinus-Krankenhaus und hier im Evangelischen Krankenhaus, Herr Pfarrer R., gestorben.

Seinetwegen habe ich wohl die geplante Predigt geändert, werde aber selbstverständlich dasselbe sagen.

Die Art und Weise, in der wir heute Gottes bedingungslose Liebe bedenken wollen, ist also ihr totenerweckender Charakter, die Auferstehung.

Christen sind die Menschen, die glauben, daß Gott alle Menschen bedingungslos, daß Gott alle Menschen über jedes irdische Maß hinaus liebt: Christen sind die Menschen, die glauben, daß alle im Himmel sind, nicht daß sie hineinkommen. Christen unterscheiden sich von allen anderen Menschen dadurch, daß sie hörten, daß im Himmel alle Menschen gezeugt und geboren werden, seitdem im Himmel leben, sich bewegen und sind – statt gelegentlich, vielleicht und hoffentlich erst hineinzukommen ...

Christen tun nichts, damit sie in den Himmel kommen. Christen tun, was sie tun, weil sie sich so freuen, mit allen anderen längst darin zu sein. Es sollen das auch die anderen hören, Hausgenossen Gottes von Anfang an längst zu sein, zu Seiner Rechten zu sitzen. Mehr als das längst geschenkte Anteilhaben aller am Vaterverhältnis Jesu, mehr geht nicht. Wer auferstanden ist, braucht nicht mehr aufzuerstehen; er ist bereits angstbereit, wenn sein Karfreitag kommt.

Dieser Glaube an die unüberbietbare Gemeinschaft mit Gott wandelt sich nach dem Sterben in das Schauen dieser Gemeinschaft. – In der »Herrlichkeit« Gottes zu leben, das bedeutet keine Steigerung – der Gott Jesu macht keine halben Sachen – es bedeutet nicht, mehr zu haben, als uns schon jetzt geschenkt ist. Bibel und Liturgie meinen mit »Herrlichkeit« das Sehen der göttlichen Gemeinschaft, das Hineingenommensein der Schöpfung in den dreifaltigen Gott. Das Glauben ist nicht mehr vom Unglauben begleitet.

Wir brauchen uns nur zu erinnern, was wir denn als erstes eben gebetet haben: »Allmächtiger Gott, Du gibst uns in Deiner Güte mehr als wir verdienen.« – Das war es schon, was Christen glauben: Im Himmel zu sein, nicht hineinzukommen. – Wir beteten nicht: »Du wirst uns geben«, wir beteten: »Du gibst uns mehr als wir verdienen«.

Den Himmel könnten wir uns nicht verdienen. Aber wir brauchen ihn. Das Christentum ist dazu gut, daß es verantwortlich sagt: Ihr habt ihn! Ihr seid angstbereit. Das seid Ihr, den Himmel habt Ihr – dazu, ihn weiterzusagen. Das ist der einzige Wille Gottes.

In den großen Religionen gilt: Gutes tun, Gutes tun, Gutes tun, Gutes tun, damit wir eines Tages in den Himmel kommen, vielleicht, hoffentlich. Die eigentliche Wahrheit aller Religionen besteht zwar im Vertrauen auf Gottes Liebe, aber den eigentlichen Grund dafür können sie noch nicht sagen.

Christen glauben, daß alle drin sind, daß wir längst seit Zeugung und Geburt bekommen, was wir brauchen, viel mehr als wir verdienen. Diese Sichtweise, die Sichtweise Gottes, lädt uns ein, Gutes zu tun, weil wir uns über den längst geschenkten Himmel freuen.

Das ist die Auferstehung, wie Christen sie verstehen. Sie kommt vor Karfreitag. Der Sohn Gottes trägt Visitenkarten bei sich mit »Ich bin die Auferstehung« (Joh 11,25), keine einzige mit »Ich werde mal gelegentlich in vager Zukunft auferstehen … – Wallfahrtet derweilen mal schön!«

Die Auferstehung, die ein Unding ist, kommt erst nach Karfreitag. Man frage sich, was man heute und morgen von einer Auferstehung hat, die erst nach dem Sterben kommt, wenn man tot ist. Bisher ist es aber immer noch niemandem gelungen, aus dem Christentum eine Religion zu machen, in der kräftig geopfert wird, damit ...

Noch ist es so, daß vielmehr umgekehrt Gott seinen Sohn gibt, der in seinen Freunden vor uns kniet, weil er das Himmelreich auch angenommen und von uns in Besitz genommen sehen möchte: »Laßt Euch mit Gott versöhnen« (2 Kor 5,20)!

Alles, worum es im Christentum geht, in einer vielleicht einprägsamen Geschichte, die Botschaft Jesu und die Dreifaltigkeit Gottes als notwendigen »Verstehenshintergrund«. Gottes unmanipulierbare grenzenlose Güte erscheint dem nicht mehr unmöglich, der sich die Welt nicht mehr als Gegenüber Gottes vorstellen muß, auf die Gott reagieren müßte.

Da sind ein kleines Mädchen und eine junge Mutter, die ein Herz und eine Seele sind. Alle im Dorf sagen: »Seht, wie sie einander lieben.« Die junge Mutter gibt sich Mühe, das Kleine so zu erziehen, daß sich seine Fähigkeiten entwickeln, daß seine Begabungen zur vollen Blüte kommen. Sie zeigt dem Mädchen, wo an den Rosen die Stacheln sind, wie lecker Karamelpudding schmeckt, wie man den Goldhamster füttert … Das Kleine versucht, der Mutter alle Wünsche schon von den Augen abzulesen. Wenn es die Mutti losziehen sieht mit Eimer und Lappen, dann will es auch ein Läppchen, um Putzen zu lernen, der Mutti zu helfen. Ein Herz und eine Seele sind die beiden, drumherum sagen alle: »Seht, wie sie einander lieben.«

Nun sind wir einige Jahre weiter. Aus der jungen Mutter vom Anfang der Geschichte ist eine Großmutter geworden, weil das kleine Mädchen inzwischen erwachsen und selber Mutter geworden ist. Wir haben in unserer Phantasie nun eine Oma, die junge Mutter vom Anfang unserer Geschichte, eine wiederum junge Mutter, das kleine Mädchen vom Anfang der Geschichte, und ein neues kleines Töchterchen, die Enkelin.

Zum Geburtstag der Großmutter fahren die neue junge Mutter, das Mädchen mit dem Läppchen vom Anfang der Geschichte, und das Jüngste, das Enkelkind, die Oma in der fremden Stadt zu besuchen.

Die junge Mutter setzt das kleine Mädchen mit einem Riesen-Blumenstrauß in der Hand vor der Türe ab, klingelt und läuft wie ein Lausbub hinter die Hecke zurück und versteckt sich dort. Hier links das Haus der Oma, in dem sie das Klingeln hört und denkt: »Die Brötchen sind schon da, die Zeitung auch, Strom und Gas sind schon gestern abgelesen worden. Das müssen sie sein, die beiden, zum Geburtstag!« In der Mitte, hier, sehen Sie viel Wiese und einen großen Weg zum Bürgersteig auf der rechten Seite, wo hinter der Hecke die junge Mutter, die klingelte, sich versteckt hält. In der Mitte sehen Sie das kleine Mädchen, das gerade eben sprechen kann, mit dem Riesen - Blumenstrauß, das nach vorne noch gar nicht richtig schaut, sondern mehr sinnt oder empfindet: »Oma! Oma – Karamelpudding – wunderbar! Oma – Goldhamster – wunderbar! Oma – wunderbar!« – Das Kleine denkt, empfindet nach hinten, da denkt, da empfindet es entsprechend: »Mutti mich noch nie im Stich gelassen! Mutti mich noch nie allein gelassen! Mutti bestimmt bald wieder da!«

Das Kleine ist bestens geborgen in der Liebe der Mutter zur der Tochter, der antwortenden Liebe der Tochter zur Mutter. – Ein Herz und eine Seele sind Gottvater und Sein Sohn. Ein Herz – und eine Seele, namens »Heiliger Geist«. Und darin sind alle Menschen seit Zeugung und Geburt, mitten darin, aufgenommen in den innergöttlichen Dialog, den Heiligen Geist. Hier sind sie unüberbietbar geborgen, aufgehoben in Gott selbst. Alle, bedingungslos.

Sie bekommen das gesagt und freuen sich darüber. Dann nennt man es »im Himmel sein«. – Sie bekommen es gesagt und lehnen es ohne Grund ab – es gibt ja keinen Grund, abzulehnen, so geliebt zu werden – sie bekommen es gesagt und lehnen es ohne jeden Grund ab. Das nennt man »in der Hölle sein«. Am selben Ort.

Gott gegenüber ist gar nichts, auch die Welt nicht. Auch seinem eigenen Gesetz nach – actio gleich reactio – braucht Gott nicht zu reagieren. Gott und Welt sind nicht einander gegenüber wie ein Produzent und sein Produkt. Der Gott der Bibel ist Schöpfer, und das Evangelium Jesu, unbegrenzt geliebt zu sein, läßt sich auch so formulieren: Wir sind »geschaffen in Christus« (Eph 2,10; vgl. 2 Kor 5,17), des Sohnes wegen vom Vater in seine Liebe zum Sohn aufgenommen. Mehr brauchen Christen nicht als die Kenntnis, die Jesu Predigt vermittelt: Über jedes Maß geborgen, über jedes Maß hinaus geliebt zu sein, auferstanden seit Zeugung und Geburt.

Diese Geschichte nach Pater P. Knauer SJ klärt, wie man es sich vorstellen kann, daß wir in Gott leben, uns bewegen und sind (vgl. Apg 17,28), nicht ihm gegenüber. Wir sind unüberbietbar geborgen, was auch passiert; wir sind auferstanden, geborgen im Heiligen Geist – ganz gleich, was passiert …


27. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A
Jes 5,1-7; Phil 4,6-9; Mt 21,33-44