»Wunder«

Mirakel und Zauber und Wunder

 

Lukas 9
11 Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften.
12 Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Laß das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste.
13 Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, daß wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen.
14 Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Laßt sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig.
15 Und sie taten das und ließen alle sich setzen.
16 Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten.
17 Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrigließen, zwölf Körbe voll.


Einige Argumente der Kirche, mit denen man auf verschiedene Weise das Wunderverständnis vieler Leute in der Kirche zurückweisen kann.

1 Wer in Jesus einen Konkurrenten moderner Großküchen sehen möchte, der möge sich in dieser Auffassung bestärkt sehen: Im Johannesevangelium sagt Jesus: »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater« (Joh 14,12; vgl. Mt 28,19).

2 Ein Gott, der seinem Sohn zuerst das Zaubern beibringt und ihm dann auch noch erlaubt, seinen besten Freunden den Glauben zu ersparen, ist in der gesamten Christenheit unbekannt. Der Gott der Bibel erspart nicht einmal Jesus zu glauben, daß er der Christus ist.

3 Jesus sagt an keiner Stelle: »Mein Zaubern hat Dir geholfen!«. Wohl sagt Jesus wie jeder andere Christ immer wieder: »Dein Glaube hat Dir geholfen!« Wirklich helfen in jeder Situation kann nur die restlose Annahme der unendlichen Liebe Gottes zu mir und jedem anderen Geschöpf.

4 In der Christenheit wird geglaubt, daß sich Gottes grenzenlose Liebe zu jedem Geschöpf der Geist dieser Worte ist Christus auf die Menschheit, z. B. die Menschheit Jesu, nicht anders auswirkt, als daß die Sünde unterbleibt. Der Hebräerbrief (4,15) und das Konzil von Chalkedon im Jahre 451 lehren: »Jesus Christus ist uns in allem gleich, die Sünde ausgenommen.« – Also konnte Jesus die 5 000 Männer und die in der damaligen Zeit natürlich nicht erwähnten Frauen und die ebenfalls natürlich nicht erwähnten Kinder natürlich nur in derselben Geschwindigkeit körperlich sättigen, in der jeder von uns heute nachmittag das Hungerproblem der sogenannten Dritten Welt in Luft auflöst.

5 Der Gott Jesu und der Bibel ist tatsächlich in allem mächtig. Seine Allmacht ist nicht nur potentieller Art: »Gott könnte in der Zukunft, wenn er wollte!«, sondern nichts ist ohne ihn. Gott ist der, ohne den nichts ist. Alles ist restlos von ihm abhängig, so daß keine Abhängigkeit gesteigert, kein Naturgesetz verändert oder außer Kraft gesetzt werden kann. Wer Gott solches zutraut, macht ihn nicht größer, sondern kleiner. – Das ist im voraus zum Glauben an das Verhältnis Gottes zur Welt beweisbar. Seine Schöpfung ist unter jeder Hinsicht unüberbietbar von ihm abhängig. Ein besonderes Eingreifen gibt es nicht.

6 Hätte Jesus diese Frau oder jenen Freund von körperlichen Gebrechen geheilt, wäre er ungerecht, denn meine kranken Freunde haben nur gewöhnliche Ärzte. – Hätte er aus purem Wasser Spätauslesen gezaubert, wäre er über den See gegangen und physisch trocken angekommen, er wäre gute Unterhaltung.

7 Christen glauben das Wort, das nur vom Hören kommen und nur geglaubt werden kann (vgl. Röm 10,17), daß Gott nämlich unbedingt liebt. Sie glauben kein Mirakel wie das Erzaubern von Wein am Rebstock vorbei. Christen glauben nur das Wort, das man auch nur glauben kann, das man auf keine andere Weise prüfen kann, das einerseits nicht gegen unsere Vernunft ist, sich andererseits aber nicht von der Vernunft stützen läßt.

8 Christen stellen Bedingungen, um ein Wunder zu glauben.
a Es muß ein über unsere Sinne wahrnehmbares Zeichen (factum sensibile) sein: Das Evangelium kommt wahrnehmbar durchs Sprechen und fürs Hören.
b Die Abläufe der Natur dürfen das Wunder weder begründen noch widerlegen können, es muß in diesem Sinn außerhalb der Natur (extra cursum naturae) sein: Noch nie hat jemand das Evangelium Gottes ewiger Güte zu jedem widerlegt. Nie wird einer aus der Natur mit Vernunft begründen können, daß Gott unendlich liebt.
c Das Wunder muß mit Gott identisch sein, wie man a Deo patratum übersetzen kann. Selbst wer höllische Eide schwört, sich diese grenzenlose Liebe Gottes niemals bieten lassen zu wollen, kann verstehen, daß diese Worte Gottes grenzenloser Güte Gott sind. Gott ist unbegrenzt, er bedarf z. B. nicht des Atmens. Im Gegensatz zu uns kann er sein Wort der Liebe ganz und gar sein.

»Gebt Ihr ihnen zu essen!« sagt Jesus heute. – Jesus weiß, daß seine Freunde nicht viel von der Nahrung haben, die man kaufen kann. Wo immer Menschen das, was sie haben, füreinander einsetzen, wird »Überfluß« sein. Es geht immer auch um den richtigen Einsatz irdischer Güter; Jesus weiß aber auch, daß sie alle die Nahrung haben, die er ihnen längst gepredigt hat, die man nur geschenkt bekommen kann, weil sie nur vom Hören kommt: Das ist die Nahrung, die den Sohn Gottes (zuerst) interessiert: Mit mir sind alle anderen Menschen über jegliches Maß hinaus von Gott geliebt.

An einem Freitag, dem 13., laufen schwarze Katzen besonders zahlreich und zügig über unsere Wege. Und das ist gar nicht schlimm. Und es ist auch nicht schlimm, daß wir die unbegründete Furcht vieler kennen vor Freitagen, die mit und ohne Katz auf einen 13. fallen. Schlimm ist aber, daß sich nicht herumsprechen will, daß »Sieben« eine Kurzformel für das gesamte Evangelium war. Wie heute in meinen Schulklassen »Glamu«: Gott liebt alle Menschen unendlich. – Der Junge, der in anderen Versionen dieser Geschichte Jesus die Gaben bringt, bringt neben den fünf Brötchen deshalb zwei Fische mit, damit im Zuhörer die Sieben erscheint. Gemeint ist damit, daß der Kleine Jesus ganz einfach so fragt: »Du, Rabbi Jesus, habe ich Dich richtig verstanden: Meine Eltern lieben mich sehr, aber unser Vater im Himmel liebt alle Menschen unvergleichlich, nämlich ohne jedes Maß und ohne jedes Ende.« – »Wenigstens einer, der's begriffen hat!« denkt Jesus, und nimmt den kleinen Knirps auf den Arm.

Das lesen wir ja auch ausdrücklich: »Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel«. – Das heißt: Da hatte Jesus nun, dieser Christus, ein komplettes Gebet auf dem Arm: Das sachgemäß gesagte Evangelium und einen Jungen, der sich riesig darüber freut, also in seinem Sinn glaubt.

Für den Glaubenden zu fotografieren gewesen wäre nun Jesus, der Christus, mit einem anderen Christus auf dem Arm, vielleicht Christus Andreas. – Natürlich »dankte Jesus und brach«te den Kleinen wieder zu Boden. »Und Jesus gab die beiden, das Evangelium und seine Annahme, den Jüngern«, damit der Kleine es mal versuche, den Holzköpfen klarzumachen, daß auf Gott mehr Verlaß ist als auf irdische Speisen und Genüsse zum Beispiel.

»Und damit sie, die Jünger, dies Evangelium dem Volk austeilten.« – Eine Geschichte, die dem Selbstbewußtsein der ersten Christen dienen soll, wie wir sie heute genau so brauchen. Jesus ist nach Karfreitag nicht mehr sichtbar, sondern beerdigt. Wenn sie, die Jünger, wenn wir, die Christen, jetzt nicht weitermachen, Sündenvergebung zuzusprechen, dann tut es niemand! – »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater« (Joh 14,12; vgl. Mt 28,19).

Christen tun Christus, die Sache Jesu. – Keine andere, jede andere nämlich nur dazu, eines Tages gefragt zu werden und dann zu sagen, daß Gott grenzenlose Liebe ist und wir nicht außen vor, sondern mitten drin. – Leben diese Christen medizinisch faßbar länger als 28 Jahre, die Jesus alt wurde, tun sie »größere« Werke als Jesus. Sie predigen länger. – Sie machen Kirche: martyria, diakonia, liturgia, koinonia.

Christen teilen die anonyme Gesellschaft in Eßgemeinschaften auf, bei denen es um's Wort Gottes geht, das einander bezeugt wird und auch anderen, bisher Außenstehenden (martyria), die wieder neue Eßgemeinschaften bilden, bei denen es um das Wort Gottes geht, aus dem heraus einander geholfen wird (diakonia) bis zur heiligen Gemeinschaft, die zusammensteht (koinonia), die auch immer wieder zusammenkommt, das Wort zu feiern, dann zu essen und zu trinken (liturgia), damit das Wort einander bezeugt wird und auch anderen, bisher Außenstehenden (martyria), die wieder neue Eßgemeinschaften bilden, bei denen es um das Wort Gottes geht, aus dem heraus einander geholfen wird (diakonia) bis zur »heiligen Mafia« (koinonia), die auch immer wieder zusammenkommt, das Wort zu feiern, dann zu essen und zu trinken (liturgia), damit das Wort einander bezeugt wird und auch anderen, bisher Außenstehenden (martyria), die wieder neue Eßgemeinschaften bilden, bei denen es um das Wort Gottes geht, aus dem heraus einander geholfen … – »Es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrigließen, zwölf Körbe voll.« Zwölf Aposteln bleibt alles übrig: Zwölf Körbe: Alles. Das einzige, was einem bleibt, wenn man es weiterschenkt, ist Gottes Wort.


Fonleichnam – Lesejahr C
Gen 14,18-20; 1 Kor 11,23-26; Lk 9,11b-17