Alles Präsentpapier der Welt ...

Stephanus

 

Die Gliederung der heutigen Predigt
1
Das neue Meßgewand op dr schäl Sick - oder: Stephanus war auch 45 kein Moralist
2 »Alles Präsentpapier der Welt« - oder: Stephanus ist gar kein gehobener Caritasdirektor
3 Der Gefirmte - oder: Stephanus gibt weder klein bei noch biedert er an
4 Heißes Blut statt bornierten Lamettas - oder: Der Erstgeborene vor aller Schöpfung im Erstgeborenen der neuen Schöpfung


1 Irgendwo op dr schäl Sick gab es am 2. Weihnachtsfeiertag des Jahres 1945 einen Priester, dem wohl die Zeit davongelaufen war. Jedenfalls hatte er keine Predigt.

Aber er hatte nicht nur ein neues Meßgewand, er hatte auch eine Idee. Das Meßgewand zeigte auf dem Rücken - Sie erinnern sich noch, der war für die Feiernden damals der Blickpunkt im Altarraum - in großer Schrift die Buchstaben K und Z und daneben und darunter figürlich dargestellt gequälte und geschundene, halb bekleidete und halb verhungerte Menschen mehr oder weniger weit vom Gasofen entfernt ... Die Idee des Priesters: Er sagte zu den in fast jeder Beziehung frierenden Menschen: »Schaut nur, das ist die Predigt.«

Richtig daran ist, dass Stephanus wie viele andere Juden auch sein Leben für das Leben gab.

Ich sagte soeben: für das Leben. - Ich sagte nicht: für’s Eindruck Machen oder Beispiel Geben - schon gar nicht für’s Appellieren oder Moralisieren.

2 Dem ersten Martyrer - Märtyrer macht mir Magenschmerzen wie Gläubige statt Glaubende oder Schlips statt Krawatte; allein dieses spitze »ips« gehört in einen Tresor! - also dem ersten Martyrer der Geschichte der Christenheit (nicht der Menschheit! Die anonymen Martyrer ließ ich also unerwähnt!) zu Ehren ist die Farbe der Stola heute rot. -

Ein einziger Brief unter der überzahlreichen Post, die mich zu den Festen dieser Tage erreichte, ist auf rotem Papier geschrieben. - Thomas hatte bei mir Abitur gemacht, und das ist mindestens vier Jahre her. Noch heute unterscheidet er zwischen der Predigt als dem Sagen des Wortes Gottes und einem Sakrament, wie z.B. der Eucharistie, als dem Tun, der Feier dieses Wortes, das derselbe Christus ist. - Er weiß noch, dass Christen immer dasselbe feiern, dass sie immer Christus feiern, das eine Wort Gottes, nach dem sie sich Christen zu nennen wagen. Wen auch sonst?! Was denn sonst?! Aber dass sie es mal unter der Rücksicht, mal unter dem Aspekt feiern: Ostern bedenken wir, mit Christus über jedem Problem zu stehen, zu Pfingsten feiern wir, mit Christus den ersten, den gemeinschaftsbildenden Schritt auf andere Menschen zu tun zu können, Weihnachten - letztes Beispiel für heute - feiern wir das Angekommensein Christi bei uns: leibhaftig, in Raum und Zeit: im Wort der Predigt allein (!) zum Glauben allein.

Thomas schrieb mir also - ich darf zitieren: »zum Fest der Feier des Wortes Gottes unter der Rücksicht, dass alles Präsentpapier der Welt nicht ausreicht, die immerwährende Güte Gottes einzuwickeln.«

Ich weiß nicht, ob sich Stephanus mehr freut, oder ob ich mich mehr freue. Stephanus jedenfalls sieht sich genauestens definiert: »Feier des Wortes Gottes unter der Rücksicht, dass alles Präsentpapier der Welt nicht ausreicht, die immerwährende Güte Gottes einzuwickeln.«

Gottes Wort, seine unbegrenzte und bedingungslos geschenkte Zuneigung setzt sich auf jeden Fall durch. Darum hat Stephanus Christus gesagt, er hat ihn ausgepackt - statt albern versucht, ihn einzuwickeln ...

Stephanus gehört zu den ersten sieben Jerusalemer Diakonen, und die meisten Leute meinen, er sei seines spezifischen Diakonendienstes wegen, seines Dienens bei Tisch wegen, umgebracht worden. - Etwas billig, Stephanus mit einem gehobenen Caritasdirektor zu verwechseln, der niemandem etwas tut ... Der niemandem etwas zuleide tut ... Oder wie ist das mit Unterlassungen?! ...

3 Der Gefirmte, der unüberbietbar Gesicherte, weiß zwar, dass das Evangelium auch Schweigen gebieten kann - ein solches Schweigen, das gerade durch's Schweigen legitimiert ist, weil es das Schweigen Christi selbst ist. - Aber der Getaufte, der zur Taufe steht, tauft! Sobald es möglich scheint: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde« (Kor 9, 16).

Es ist der Dienst, der jedem Menschen vom Christen geschuldet ist: Ihm zu sagen, sobald Gelegenheit, dass er in seiner normal erscheinenden Borniertheit dem Heiligen Geist persönlich im Weg steht, dass das gefährlich werden kann, da Gott auf jeden Fall das letzte Wort hat, weil er es schon immer ist.

Gott ist auf seine Weise tolerant. Das ist also eine göttliche Toleranz, die (un!)menschlicher Besserwisserei intolerant (Bultmann) erscheint.

Weil ein A.K. - K wie Ketzer - ungehindert solch folgenschweren Unsinn auf den deuterokatholischen Büchermarkt schreiben kann, wie folgt, ist sozusagen erwiesen, dass es unter den Getauften so wenig Gefirmte wie unter den Gefirmten Getaufte gibt.

Die nämlich nehmen sich Franz von Sales in’s Herz: »Wisse, dass Gott den Frieden derer haßt, die er zum Kampf bestimmt hat!«

A.K. do-ziert - auch noch unter der Überschrift »Stephanus«! - Stephanus aber provo-ziert: wie Jesus sein Sterben zugunsten des Lebens. 

A.K. also im Unverstand, wenn nicht beleidigend:

»Es ist eine Tatsache, die einem aufmerksamen Beobachter nicht entgeht, dass Zeugen des Glaubens viel häufiger in Krisen- und Verfolgungszeiten der Kirche anzutreffen sind ... als in friedlichen Epochen unserer Geschichte.« (Matthäus-Predigten, echter, 1986, S.56) - Soweit diese Laberbacke, wie meine Schüler sagen würden ...

Weil im Sinn Christi unsere Epochen grundsätzlich weder friedlich sind noch aus sich heraus es jemals sein können, hat Christus grundsätzlich das Wort. Das letzte. Und das erste: Er ist es.

Zeugen des Glaubens - das sind doch Christen! In A.K.'s Sinn sind also friedliche Zeiten nur ohne Christen möglich?! Die kirchliche Druckerlaubnis honoriert auch solche Borniertheit.

Gott geht jeden an. Also gibt es Christentum grundsätzlich nur in der Verfolgung. Es gibt keinen Christen, dem kein Pilatus im Weg steht (Natürlich: im Weg zu stehen sich höchstens einbilden kann.): Wie es keinen Täufer geben kann, der Christus ankündigen könnte, ohne dass der schon da wäre, so gibt es keine Verkündigung, die den Namen verdient, ohne jeden Hörer in (- nicht vor! weil es nur hier! zur Ablehnung keinen Grund gibt) die Entscheidung zu stellen!

Einen Gott, der nicht prinzipiell erfolgreich ist, brauchen wir Christen nicht mehr: wir kennen und haben den, der in jedem Fall erfolgreich ist: der Botschaft, bedingungslos akzeptiert zu sein, weicht nämlich keiner ohne Schaden aus.

Die Kirche - eine kleine Herde - Die ... - die stärkste Partei.

Jesus Christus - das Evangelium - Im Jet - das Gesetz.

Jesus Christus bei den Unterfernerliefen - Es gratuliert die Philharmonie.

Genug?! - Schon viel zu viel: Bloße Statistik garantiert, dass auch wir morgen schon wieder anbiedern oder zu falschen Thronen kriechen ... Auch wir: Opportunisten!

Heiliger Stephanus, erster Importunist! Bitte für uns! Unsere Zeit ist unsere letzte.

Wollen wir die letzten Christen Europas sein oder wollen wir, dass man . wie in dir - auch eines Tages in uns Christus feiert?! - Heiliger Stephanus, bitte für uns! Weihnachten ist für alle da!

4 Wenn Jesus sagt: »Sie werden Euch vor die Gerichte bringen ...« dann ist er, der uns in allem außer der Sünde gleich ist, schon wieder mal nicht als Hellseher tätig. Er definiert bloß - den Christen!

Sag einem nobilitierten Physiker, Energie ginge bei Durchzug verloren, einem Chirurgen, den geplatzten Blinddarm ließe er besser drin, einem beliebigen Konrektor, er solle die Kinder das Lesen nicht lehren ... - Die Reaktion wäre ähnlich der der Bischofskonferenz von Panama etwa, wenn sie sich vor der Aussage findet, das Himmelreich sei schon da und mehr Himmelreich gäbe es nun einmal nicht ... - Galilei kann das besser singen als ich ...

Um Seines Namens willen gehaßt werden, ohne sich etwas einzubilden: die Definition des Christen. Denn »standhaft bleiben« heißt: auch weiterhin sich als »unnützer Knecht« vorzukommen, wenn man eben weiterhin um »Seinetwegen« und nicht um eigener Fehler - oder auch Vorzüge! - wegen gehaßt wird.

Wer will bestreiten, dass Sacharow blutvoll lebt und persönlich?! Heiß - und nicht lau. Unser Lametta dagegen kann den Glanz vor den Menschen nicht bringen, dessen Christus uns befähigt.

Den Erstgeborenen vor aller Schöpfung, Christus, kann man nicht einwickeln. Stephanus hat das verstanden und ausgepackt. Er verstand und war neue Schöpfung, er bot dar und wurde dadurch historisch der Erstgeborene der neuen Schöpfung.

Den Erstgeborenen im Erstgeborenen zu feiern - und dazu sind wir gekommen - heißt aufzuhören mit dem Erschrecken vor dem Unerschrockenen und endlich damit zu beginnen, die Menschen unerschrocken zu erschrecken.


Apg 6, 8-10; 7, 54-60 Mt 10, 17-22