Johannes 1, 1 - 18

Das Logoslied

 

 

Die Gliederung der Predigt entspricht der Gliederung des heutigen Textes, wie er wohl ursprünglich ausgesehen hat:
Joh 1, 1-18 ist in 3 Stufen entstanden:

Selbständiges Logoslied
(1, 1.3-5.11.12a.b),
Ergänzung durch die Gemeinde
(1, 14.16) und später eine
literarische Bearbeitung
durch E (1, 2.6-10.12c-13.14d.15.17f -»E« bezeichnet den »Erzähler«, den Verfasser des »Joh« - Evangeliums.)

Ursprünglich ist das Logoslied der Gemeinde mit den angegebenen Versen. Es läßt sich zwanglos in drei Strophen einteilen. Alle sechs weiteren Zusätze (die also zusammen mit diesem Urtext unsere heutige Fassung im NT ausmachen) haben Erläuterungscharakter: Drei Stellen reflektieren die enge Beziehung zwischen Gott und Offenbarer. Sie können ihnen in einer Mußestunde zu Haus nachgehen: Es sind die Verse 2, 14d und 17f.

Zwei Stellen bringen das Thema des Täufers ein. Auch diese Stellen berücksichtigen wir heute hier nicht: die Verse 6 -10 und 15.

Eine Stelle erläutert die Heilssituation der Gotteskindschaft. Dies sind die Verse 12 c und 13 - ebenfalls mit geistlichem Gewinn zu Haus zu studieren.

 

Das ursprüngliche Logoslied

(zwei Strophen) mit der Ergänzung durch die Gemeinde, die es sang (dritte Strophe), - also ohne die literarische Bearbeitung durch E:

Im Anfang war der Logos,
und der Logos war bei Gott,
und Gott war der Logos (V 2).
Alles ist durch ihn geworden,
und ohne ihn ist nichts geworden.
Was geworden ist, in dem war er Leben.
Und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis,
aber die Finsternis hat es nicht in Besitz genommen (V 6-10).
Er (der Logos) kam in das Seine,
aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Wie viele ihn aber aufnahmen,
denen gab er die Ermächtigung,
Gottes Kinder zu werden (V 12c-13).
Und der Logos wurde Fleisch
und nahm Wohnung unter uns.
Und wir sahen seine Herrlichkeit (V 14d)
voller Gnade und Wahrheit (V 15).
Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen
und zwar Gnade um Gnade (V 17f).

 

Die Gliederung der Predigt

Strophe 1
Christus - Mittler der Schöpfung
Strophe 2
Christus - Mittler der Befreiung
Strophe 3

Die erste Strophe
Der Logos, Christus, das Wort Gottes, ist nicht Teil der Schöpfung. Er gehört auf die Seite Gottes. Das Anfangswort »im« erinnert an die erste Seite der Bibel: 1 Mose 1, 1. Das ist beabsichtigt; gemeint ist ein Anfang, der keiner ist: Als die Welt wurde, »war« Christus schon. Hinter die Zeit des Schöpfungsanfangs - ein Anfang, der nicht älter wird, sonst hieße es »am« Anfang (wie bei unseren »Produktionen«) fragt die erste Strophe nicht zurück. -

Sie spekuliert nicht über vorweltliche Dinge, sondern erklärt: Die Welt, die wir kennen, verdankt sich der Schöpfungsmittlerschaft des Logos, der schon vor der Welt bei Gott »war«. In unserer heutigen Sprache: Gott Vater schafft (!) die Welt seines Sohnes wegen, aus Liebe zu seinem Sohn (in diese Liebe, den Heiligen Geist hinein). Alles Geschaffene hat kontinuierlich nur Existenz durch Christus, eigentliches Leben, in dem »Leben« und »Licht« miteinander verbunden sind! Lebensverfehlung und Lebenserfüllung werden vom Logos her definiert - nicht etwa nach unserem Gutdünken ... Durch ihn ... ist sinnerfülltes Leben in der Relation zu Gottvater.

Die zweite Strophe
Wie schon angedeutet kann sich Leben in der Schöpfung auch verfehlen, es kann sich auch nicht logosgemäß verhalten.

Die »Entstehung« des Logos interessierte in der ersten Strophe nicht, die Herkunft der Finsternis interessiert in der zweiten nicht. Finsternis negiert das Licht, noch nie aber hat Finsternis das Licht ausgelöscht!

Wo immer das Licht scheint, konstituiert sich auch Finsternis als unmenschliche Existenzweise: Es ist keine Rede von einem Dualismus, der Geschichte vorgegeben und sie immer schon bestimmend; keine Rede davon, dass eine obere Welt dualistisch von einer unteren getrennt sei, wie es die Gnostiker behaupteten. Auch keine Rede von einer entsprechenden Setzung Gottes, nach der die Menschheit schon vor Eintritt in die Geschichte in zwei feindliche Gruppen gegliedert ist und damit zum Spiegelbild desselben Dualismus wird, der nach Auffassung der Qumraner auch die Engelswelt durchzieht.
- Sondern: Wir sind gewürdigt, unser Unterlassen und unser Tun ganz schön selbst zu verantworten: Licht und Finsternis sind aufgrund unserer menschlichen Entscheidungsmöglichkeit - wir sind »echt« gefragt! geschichtliche Qualifikation des Menschen. Wir gebrauchen unsere Freiheit, oder wir missbrauchen sie.

Christus, der in »sein Eigenes« kommt, eröffnet hier und jetzt qualifiziertes Leben. Von einem jenseitigen Heil, das die Welt hinter sich läßt, ist keine Rede: Heil als Gotteskindschaft ist geschenktes schöpfungsgemäßes Leben. Christi »Kommen« ist mit der Schöpfungsentstehung gesetzt und seither von andauernder Geltung: »Es kommt nichts mehr!« Geschichte ist im Logoslied definiert als sich ständig vollziehende Ablehnung oder Aufnahme des in der Schöpfung präsenten Logos.

Mit ihm ... ist Kenntnis sinnerfüllten Lebens

Die dritte Strophe
Sie ist von der Gemeinde angefügt, um die christliche Rezeption der ersten beiden Strophen zu sichern. Hilfreich ist ein Vergleich mit dem berühmten Hymnus im Kol (1, 15ff).

Christus ist sowohl Schöpfungsmittler wie auch Erlöser. Die urchristliche Gemeinde, die die Verse 14 und 16 anfügte, wollte eine analoge Christologie vertreten: Der, den wir als unseren Erlöser bekennen, ist kein der Schöpfung Fremder, sondern sie entstand und lebt auch heute nur durch ihn. Gott wird selbst Geschöpf - neben uns um so seine Herrlichkeit kundzutun. Seither gibt es eine christliche Gemeinde, die von dieser Gnade lebt; sie steht nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. - In ihm ... ist Weitergabe der Kenntnis sinnerfüllten Lebens.

Die drei Strophen in erneutem Durchgang

1 Selbst alle Haare auf unseren Köpfen sind gezählt - aber nicht durch uns! Ohne Gott und seinen Mittler Christus gibt es weder Ebbe noch Flut. Aber Freud und Leid scheinen nur dem Scheitern verpflichtet. Jammern scheint angesagt; jedenfalls wird dem auch bald danach, der jammert. Unser Herz schlägt zwar, doch - so sieht's aus - es schlägt für's Gesetz, es schlägt in der Nacht.
2 Selbst unseren größten Wunsch hat er aus dem Traum in die Wirklichkeit erlöst: Wir sind befreit von jeder Art der Resignation. Qualifiziertes Leben ist uns eröffnet, und keine Widerwärtigkeit kommt dagegen an. Christus ist unser Leben, göttliches Leben. Nicht trotz der Umstände, im Gegenteil: die Schwierigkeiten läßt Christus zum Trotz erstarren: jedes Bemühen der Nacht ist vergeblich: Heilige Nacht, Weihnacht.
3 Nichts mehr will Gott ohne uns. Alles hat er uns geschenkt. Selbst sich selbst. Vermögen wir auch nichts gegen ihn, so will er doch nichts mehr ohne uns: anderen ein anderer Logos läßt er uns sein: Wir schaffen, und wir erlösen auch (vgl. Joh 20, 23) - in Seinem Auftrag, auf Seine Rechnung, ja mehr noch: in seinem Namen! Wo der neue Mensch sich aus dem alten erhebt, da ist Christus geboren! Alter Christus sind wir:

Heller Tag - Unsere Weihnacht
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