Mit Rang und Namen

 

 

Hört ein anderes Gleichnis: Es war ein Hausherr, der pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter darin und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. Als nun die Zeit der Früchte herbeikam, sandte er seine Knechte zu den Weingärtnern, damit sie seine Früchte holten. Da nahmen die Weingärtner seine Knechte: den einen schlugen sie, den zweiten töteten sie, den dritten steinigten sie. Abermals sandte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; und sie taten mit ihnen dasselbe. Zuletzt aber sandte er seinen Sohn zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, sprachen sie zueinander: Das ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn töten und sein Erbgut an uns bringen! Und sie nahmen ihn und stießen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn. Wenn nun der Herr des Weinbergs kommen wird, was wird er mit diesen Weingärtnern tun? Sie antworteten ihm: Er wird den Bösen ein böses Ende bereiten und seinen Weinberg andern Weingärtnern verpachten, die ihm die Früchte zur rechten Zeit geben. Jesus sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen in der Schrift: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«? Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen aber er fällt, den wird er zermalmen. Mt 21,33-44


Ein Clown macht klar, daß der Mensch nicht nur das ist, was er macht, sondern auch das, was ihm getan wird. Christus stellt ins Licht, was Gott den Menschen antut.

Jesu Parabel richtet sich an die Hohenpriester und Pharisäer (vgl. Mt 21,45). Da das Haus Israel seit je als Weinberg des Herrn gilt (Jes 5,7; 27,2-6; Jer 12,10), sind die Pächter nicht das ganze Volk, sondern seine Führer, alle, die Rang und Namen haben, sich für jemanden halten oder lediglich für jemanden gehalten werden.

Was Jesus zu sagen hat, steht in keiner Parabel, in keinem Gleichnis. Im Gegensatz zu den meisten Menschen sagt Jesus, daß das Himmelreich keineswegs keimhaft, anfanghaft hier und da ein wenig herumsprießt, als machte Gott halbe Sachen. Jesus sagt, daß alle Menschen unterschiedslos von Gott geliebt sind: ohne Vorleistung und also alle Angst entmachtend.

Glauben im Sinn Jesu heißt dann schlicht dies: Sich darüber von Herzen zu freuen, an Jesu Vaterverhältnis unverdientermaßen voll und ganz Anteil zu haben, seit Zeugung und Geburt im Himmel zu sein. - Sehen werden wir das später nach der Sterbestunde; an die Stelle des Glaubens tritt dann das Sein in der »Herrlichkeit«: das Schauen ein und derselben Gemeinschaft mit Gott, der jetzt schon nichts fehlt. Das sagt Jesus in keinem Gleichnis. - Das sagt er vorneweg.

Im Verlauf seiner öffentlichen Tätigkeit hat Jesus es mit immer aggressiveren Leuten zu tun. - Alle Gleichnisse Jesu sind Weckgleichnisse. Später tritt mehr und mehr die Dimension des Kampfes hinzu. Von da an sind alle von ihm gedichteten Gleichnisse sowohl Weck- als auch Kampfgleichnisse. Mit der Einsicht in die Unabwendbarkeit seines gewaltsamen Sterbens kommt dann die Passion als dritte Dimension hinzu, und es entstehen jene Passionsgleichnisse, die alle drei Dimensionen in sich enthalten.

Jesus beginnt sein öffentliches Wirken: »Das Himmelreich ist mitten unter Euch« (Lk 17,20)! - Er erzählt das Gleichnis vom Schatz im Acker, das Gleichnis von der Kostbaren Perle. - Wenn Ihr nur aufmerkt! Und er erzählt das Gleichnis vom Grünenden Feigenbaum, vom Nahen Sommer. - Es gilt aufzumerken, wachsam zu sein! Und er erzählt das Gleichnis vom Guten Knecht, vom Wachsamen Türhüter, vom Dieb in der Nacht.

Jesus sieht, daß viele anfangen, äußerlich so zu tun, als glaubten sie. Er erzählt das Gleichnis von den Zehn Jungfrauen. - Jesus beobachtet, daß besonders die Reichen wenig Verständnis für seine Botschaft des längst gekommenen Himmelreichs zeigen. Und er erzählt das Gleichnis vom Reichen Kornbauern, vom Großen Gastmahl, vom Reichen Prasser. Jesus hört erstmals seine Gegner: »Du verschleuderst Gottes Wort!«

Er erzählt das Gleichnis vom Knechtslohn, von den Ungleichen Schuldnern. Er will seinen Zuhörern klarmachen, daß es nicht darum geht, die überlieferten Gebote zu halten. Und er erzählt das Gleichnis von den Ungleichen Söhnen. Jesus begegnet immer mehr solchen, die ihm vorwerfen, mit den Sündern und Zöllnern Gemeinschaft zu pflegen.

Er erzählt ihnen das Gleichnis von der Verlorenen Drachme, das Gleichnis vom Verlorenen Schaf, das vom Barmherzigen Vater, das wir leider meist das Gleichnis vom Verlorenen Sohn nennen. Verlorene Söhne, das ist selbstverständlich, sind angesichts Gottes alle Menschen; Gott aber ist der allzeit Gütige, der barmherzige Vater, und das ist nicht selbstverständlich.

Die Leute wollen oder können nicht begreifen. Jesus wird schärfer und erzählt das Gleichnis vom Gütigen Weinbergbesitzer. Die Leute bestehen darauf, halsstarrig wie heute, daß Gott Unterschiede machen müsse. - Noch schärfer erzählt Jesus das Gleichnis vom Unfairen Knecht, dem alle Schuld erlassen wird, geschenkt!

Die Leute beschimpfen Jesus; ihre Borniertheit wird genial. Jesus erzählt das Gleichnis vom Anvertrauten Geld, in dem der Chef auf Reisen geht, und der dritte Knecht seine Talente vergräbt. - Die Leute stellen sich blöd und fragen, was sie selbst beantworten können: Welches denn das größte Gebot sei?!

Jesus erzählt das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Er gießt Öl und Wasser in der falschen Reihenfolge in die Wunden. Aber er hilft. Andere veranstalten Kongresse, Tagungen, an deren Ende keinem ein Licht aufgeht, geschweige denn das Licht, und schmieden Pastoralpläne, von denen sie annehmen, mit ihnen an Gottes Pastoralplan vorbeizukommen: »Der Glaube kommt vom Hören« (Röm 10,17). - Die Leute bleiben Gegner [nicht Feinde!]. Sie beginnen, ihn zu hassen.

Jesus hält ihnen diese Gesinnung vor Augen und erzählt das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner im Tempel. - Die Leute wissen sich noch zu steigern. Jesus auch!

Die Leute wollen ihren Weinberg nicht länger verunehrt und verschleudert sehen. Jesus erzählt das Gleichnis vom Mord im Weinberg. - Wie viele Gleichnisse wollen wir eigentlich noch hören?!

Ein Reisezirkus in Dänemark war in Brand geraten. Der Direktor schickte den Clown, der schon zur Vorstellung gerüstet war, in das benachbarte Dorf, um Hilfe zu holen, zumal die Gefahr bestand, daß über die abgeernteten, ausgetrockneten Felder das Feuer auch auf das Dorf übergreifen würde. Der Clown eilte in das Dorf und bat die Bewohner, sie möchten eiligst zu dem brennenden Zirkus kommen und löschen helfen. Aber die Dörfler hielten das Geschrei des Clowns lediglich für einen ausgezeichneten Werbetrick, um sie möglichst zahlreich in die Vorstellung zu locken; sie applaudierten und lachten bis zu Tränen. Dem Clown war mehr zum Weinen als zum Lachen zumute; er versuchte vergebens, die Menschen zu beschwören, ihnen klarzumachen, dies sei keine Verstellung, kein Trick, es sei bitterer Ernst, es brenne wirklich. Sein Flehen steigerte nur das Gelächter, man fand, er spiele seine Rolle ausgezeichnet, bis schließlich in der Tat das Feuer auf das Dorf übergriff und jede Hilfe zu spät kam, so daß Dorf und Zirkus gleichermaßen verbrannten. - (Die Geschichte hier in den Worten Joseph Kardinal Ratzingers, Einführung ins Christentum, München, 1968)

»Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, daß man’s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch« (Lk 17,20ff).