Ob einer Christ ist,
entscheidet Christus nach
Joh 14, 12
Christ ist der, der das Wunder tut Joh 2,2-11
F. Dostojewski
»Du aber liebe mich, auch wenn ich schmutzig bin,
denn wenn ich weiß gewaschen wäre, dann liebten mich ja alle«
Matthäus 9,15
»Jesus antwortete: Wie können die Hochzeitsgäste Leid
tragen, solange der Bräutigam bei ihnen ist?«
Offenbarung 19,9
»
Schreibe: Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes
berufen sind«
Was die Predigt angeht, befinden wir uns in
einer guten Ausgangsposition. Es ist nicht übertrieben, wenn uns
zu Beginn der Hochzeit der Vers einfällt, den Maria so gern betet:
»Von nun an werden uns selig preisen alle Geschlechter.« -
Gäste dieser Hochzeit sind wir. D. h. wir dürfen und können
das Wunder selber tun. - Es läßt
sich innerhalb der Kirche gar kein anderer Grund finden, wozu wir hier
in der Kirche sonst versammelt sein könnten. Die Kirche, die wir
sein wollen und die wir nach Maßgabe des Wundervollzugs
auch sind, und Jesus Christus, nach dem wir uns nennen, sagen genau dasselbe.
Er, Jesus: »Wer [an] mich glaubt, der wird die Werke auch tun,
die ich tue« (Joh 14,12). - Sie, die Kirche: »Jesus
Christus ist den Menschen in allem gleich, außer der Sünde«
(Chalkedon, 451). - Die Gottheit wirkt sich, sagt die Kirche,
so auf Jesus aus, nur so, daß er die Sünde läßt.
Unser Anteilhaben an der Gottheit, sagen wir denen in der Kirche, wirkt
sich so aus, daß wir auch immer die Sünde lassen, wenn wir
Christen sind. Gottheit und Anteilhaben wirken sich nicht so aus, daß
Jesus mit uns um die Wette zaubert. Er zaubert so existentiell toll wie
wir. Überhaupt nicht. Sagt die Kirche.
Schon die Grundschrift unseres Textes, die Vorlage des Evangelisten,
stellt die gleichnishafte Geschichte der Hochzeit allem anderen Text voran.
Meist enthält ein Prolog schon alles. Hier jedenfalls: Jeder Satz
ist symbolisch gemeint, allegorisch so zu verstehen, daß die Kirche
sich für ihn interessiert. Kein Satz ist historisch gemeint! Der
Text ist eine Aussageweise, daß der Schöpfer seine Schöpfung
restlos erlöst hat - von dem teuflischen Zwang, sich das Gesetz
des Handelns von der Angst aufzwingen
zu lassen.
Zugang zum Text ist jedem möglich. Man lese, was die Geschichte
bringt, nicht aber, was man gar nicht lesen will. Die vergeht, wo es ernst
wird. - Wer sich darüber klar geworden, daß er, darf er
nur einen Wunsch äußern, Gott heiraten will, kann mit Nutzen
weiterlesen.
Hält er sich an die Spielregeln, die vorgegeben sind, mag ihm auffallen,
daß der Autor vielleicht weggelassen hat, was er nicht meint, dafür
aber tatsächlich meint, was er geschrieben hat. - Für den
Fall, daß mich auch angehen könnte, was ich nicht auf der Stelle
und mühelos verstehe, zwingt mich bestimmt nicht der Autor, es beiseite
zu schieben. Achtlos. Im Gegenteil, er hat das größte Interesse -
von Gott abgesehen - daß wir unserem dialogischen Selbstverständnis
entsprechen und uns erkundigen. Achtsam. - Von Haus aus ist unser
Selbstverständnis dialogisch.
Verzichtet der Leser oder Hörer des Textes darauf, Regeln aufzustellen,
die der Text weder kennt noch berücksichtigt, sieht er die Aussage
des Autors. Sie lautet, daß er mit diesem Wunsch, Gott zu heiraten,
wenn er schon nicht Gott ist oder werden kann, erheblich zu spät
kommt. Er ist bereits verheiratet. Mit Gott.
In unserem Text sind alle Beteiligten verheiratet - ob Jesus und
die Apostel, die er mitbringt, auch verheiratet sind, lassen wir pflichtgemäß
nicht offen. Es handelt sich um eine Predigt, in der ist jedes Wort Theologie. -
Die Festfreude gilt jenen beiden, die jetzt ihre Hochzeit veröffentlichen,
Glieder der Kirche werden.
Wer heiratet schon alle Nase lang? Wie wir hier Sonntag für Sonntag? -
Eine Predigt ist die Aufdeckung der einen Hochzeit Gottes mit dem Menschen:
Ein alter Kirchenvater wurde von einem Spötter gefragt, ob denn die
Hochzeitsleute die ungeheure Menge Weines ausgetrunken hätten -
zwischen 500 und 700 Liter. Nein, antwortete er, wir trinken heute noch
davon. - Kirchenlehrer kann er natürlich nur genannt werden,
wenn er sagt, daß wir das Wunder trinken. Heute noch. Wir nippen
nicht an Christus, er ist unteilbar. Das Wunder, das Wort, daß Gott
bedingungslos so zum Menschen steht, wie er von Ewigkeit her zu seinem
Sohn steht. Dieses Wort ist in den Augen der Kirche das einzige Wunder,
und diese Augen sind definitionsgemäß die Augen Gottes.
Das Wort, das Christus ist: Ein factum sensibile, ein wahrnehmbares Geschehen;
es ist zu hören, daß Gott über jedes geschöpfliche
Maß liebt.
A Deo patratum, der Sohn Gottes ist kein Menschenwerk. Neben Gottes unendlichem
Verzeihen ist jedes andere Wort Menschenwort. - Und drittens: Extra
cursum naturae. Die Natur kann Gottes unüberbietbare Zuwendung weder
begründen noch widerlegen.
Neben uns sechs steinerne Krüge, staubig etwas und leer ganz. Füllen
wir sie weisungsgemäß. Die zwölf wichtigsten Beobachtungen
am Text, zum Teil unter Verarbeitung unserer Kenntnisse der damaligen
Sitten und Gepflogenheiten bei einer Hochzeit:
Lang, richtig als Umweg wird der Weg geplant. Dem neuen Paar sollen möglichst
viele unterwegs gratulieren können, wenn sie nach der abendlichen
Zeremonie zum Fest hierher ziehen. Viele Fackeln zur Erleuchtung des Weges.
Vom Fest zur Feier, zu den Krügen. - Die Gratulanten wünschen
Glück, Gott gibt die Freude.
Sechs Krüge, leer. Die ersten Schöpfungstage, leer. Ohne Gottes
Ruhe in uns ist Hektik, Gesetz, Gesetzesreligion. Christus füllt
die Krüge mit neuem Wein. - Der geheimnisvolle Leib Christi
ist die Kirche, nicht ein rätselhafter, unverständlicher, sondern
der geheimnisvolle Leib. Verständlich ist die Kirche, das Geschehen
des Wortes Gottes, aber aufgedeckt werden will die Kirche als Kirche,
weil Gottes unbegrenztes Interesse an uns sonst unbekannt bleibt. Seine
unüberbietbare Gemeinschaft mit uns will aber bekannt werden. Was
hat die Schöpfung von ihrem beweisbaren Wissen, Schöpfung zu
sein des beweisbar »existierenden« Gottes? Ohne gesagt zu
bekommen, erlöste Schöpfung zu sein, Siebter Tag?! - »Sechs«
ist die Symbolzahl der Unvollkommenheit. Bis zur »Sieben«
fehlt ihr eins. - Leere Krüge können noch so außerordentlich
kostbar und steingehauen sein - Handarbeit! -, leere Krüge
sind leer. - Die Welt ist aber erlöste Schöpfung, siebter
Tag! An dem Gott nichts mehr tut, als dem Kleinen seine Freude zu schenken,
der mit der Sieben kommt. Seine fünf Brötchen heißen:
Du, Rabbi Jesus, habe ich Dich recht verstanden, Vati und Mutti mögen
mich sehr. Seine zwei Fischlein heißen: Der Vater im Himmel mag
alle Menschen grenzenlos?! - Wie heißt das Evangelium? -
»Sieben!«
Die Anmut der Braut wird auf dem Fest von jedermann gepriesen, und wenn
sie wer weiß wie ausschaut. Die Majestät und Herrlichkeit Gottes
zu preisen, das heißt so zu leben, wie es uns wirklich entspricht,
das können wir heute schon haben, und ganz ohne solch captatio benevolentiae.
Nach drei Tagen war die Hochzeit. Juden heiraten gewöhnlich drei
Tage nach dem Sabbat. Am Mittwoch. - Wenn sich der Mensch doppelt
so viel anstrengt wie der dreifaltige Gott - sechs Krüge -
er bringt die »Drei« nie zustande, den absoluten Wechsel,
das totale »Von ganz unten nach ganz oben«. Bei Jona war das
Gottes Sache, die Auferstehung ist Gottes Sache, ist »Nach drei
Tagen«.
Jesus, der Christus, nimmt der Diener Gehorsam in Anspruch, in Dienst.
Was wir dagegen so alles tolerieren! - Gott liebt die Menschen unendlich.
Keineswegs trotz ihrer Fehler, die Fehler sind es, die trotzen.
Eine richtige Hochzeit, das Sieben-Tage-Fest! Das Leben. - Wie seit
altersher schon bei den Juden. - »Betet ohne Unterlaß«
(1 Tess 5,17), »freut Euch allewege« (Phil 4,4)
Die einzige Sünde ist das Fallenlassen der Freude, weil es für
den Doktorhut des Glaubens (Martin) keine Garderobe gibt. - Das Sieben-Tage-Fest,
göttliches Leben im Menschen - der Inbegriff der Freude. Neue
Gäste, weitere Gäste kommen dazu. Täglich neue Gäste,
die sich einreihen ins Mahl, essen und trinken. Eucharistie. - Neue
Gäste trinken zunächst auf das Wohl, wenn sie es gut meinen
und also auch mal zuhören, trinken sie bald auf das Heil. Trinken
sie das Heil. Der verantwortliche Speisemeister, der hohe oberste Hohe
Priester etwa, weiß nicht, woher dieser hervorragende Wein kommt
und kann den Hinweis »von oben« nicht verstehen. »Der
Glaube kommt vom Hören« (Röm 10,17). - Die Diener
»wissen«, woher der Wein der Fülle kam und kommt. Diener
kennen den siebten Tag, die »Sieben«, die Fülle. Diener. -
Diener kennen die Fülle, Diener. Diener kennen Diener; der größtmögliche
Dienst ist die Weitergabe des Wortes Gottes. Wer das Wort weitergibt,
kennt den, von dem er das hörte: Diener kennen Diener. - Es
gibt keine dienende Kirche, weil es keinen weißen Schimmel gibt.
Es gibt keine Kirche, die nicht dient. Eine Kirche, die nicht Gottes Dienst
am Menschen als ihren Dienst versieht, sondern mit anderem die Leute belästigt,
statt ihnen mit Gottes Wort zu dienen, statt vor den Menschen zu knien:
»Laßt Euch mit Gott versöhnen.« Sein Verhältnis
zu uns Menschen ist und bleibt in Ordnung.
Eine Kirche, die den Weg zu Gott weist statt zu sich, ist auf der Stelle
durch den ADAC zum Beispiel zu ersetzen. Ohne jeden Verlust. Kirche ist
die Gemeinschaft derer, die freudig zustimmen, daß Gott in ihnen
Mensch geworden. In ihnen. Eines sonderlichen Wegweisers bedarf es bei
dieser Kirchwerdung des Heiligen Geistes keineswegs. - Es wäre
kinderleicht und auch völlig berechtigt (gewesen), eine Geschichte
zu schreiben, in der Jesus der Bräutigam ist. Es geht aber darum,
daß wir unsere Konsumentenhaltung irgendwo endlagern. Christus,
der Christus Jesus dieser Geschichte, ist die Kirche, der geheimnisvolle
Leib Jesu Christi.
Die hier auch keineswegs nur geschichtlich vorkommende Gottesmutter kommt
unter dem Kreuz mit dem »Lieblingsjünger« zwar auch wieder
vor, aber eben nicht nur geschichtlich. Geschichte überläßt
Gott uns. Hier ist Predigt. - Sie hat sich inzwischen doch der Ostergruppe
angeschlossen; vorher gehörte sie zur Familie Jesu, die ihn für
verrückt erklärte. Der Gottesmutter Intervention gilt auch uns.
Beides, Mariens Intervention, die sie auch zu unserer Fürsprecherin
macht, und ihre Einladung an uns, seinem Wort zu folgen, sind unterschieden
voneinander zu würdigen.
Die Figur des Bräutigams wird klar definierbar, als Jahwe gefragt
wird - nicht von sich aus spricht! - warum er den guten Wein
seiner Selbstoffenbarung während der Zeit des Alten Bundes zurückgehalten
und morgen und übermorgen durch uns erst vorsetzt. Fragen wir uns,
warum wir in der vergangenen Woche das Wort Gottes so wenig weitersagten.
1967 gab es japanische Soldaten, die noch nicht gehört hatten, daß
Japan 1945 kapituliert hatte; sie lebten immer noch als Partisanen ...
Wenn wir das Wort Gottes weitersagen, kommt bei den Menschen an, daß
das Partisanendasein der Menschen nie begründet war. Einen Krieg
zwischen Gott und den Menschen hat es in Wahrheit nie gegeben; er liebt
sie wie seinen Sohn.
Auch der Zusammenhang von Offenbarung und der einzigen Antwort, die sie
findet, ist im Text behandelt. »Seine Jünger glaubten [an]
ihn«. Sie sind nun Träger der Überlieferung, Wundertäter,
auf die jeder angewiesen ist, der aufhören will, an Gott zu glauben,
was nicht geht und nicht von Nutzen wäre, wenn es ginge, und sich
statt dessen seine nicht zu überbietende Liebe von Herzen gern gefallen lassen will:
glauben.
»Du aber liebe mich, auch wenn ich schmutzig bin, denn wenn ich
weiß gewaschen wäre, dann liebten mich ja alle.« Jesus
antwortete: »Wie können die Hochzeitsgäste Leid tragen,
solange der Bräutigam bei ihnen ist?« (Mt 9,15) - »
Schreibe:
Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind« (Offb
19,9).
Fürbitten
Unser Vater im Himmel. Durch die Verkündigung Deiner Kirchen entzieh
den Völkern der Erde die Erde; laß sie erkennen, daß
sie Himmel ist. - Durch die Not Deiner Völker entzieh den Kirchen
ihre Sicherheit; gib ihnen Deine. - Durch die Taufe hast Du uns weltumspannende
Freude eröffnet; hilf uns, die Welt zu umspannen, nicht uns.
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