Der Schneidermeister und die Firmung


 

Lieber Fabian!

Da ist ein Schneidermeister, bei dem sich der Kunde über den neuen Anzug beschwert. - Nein, nicht der neue Zweireiher sei schlecht, sondern der Kunde müsse eben nur das linke Bein nachziehen, den rechten Arm auf den Rücken legen und stark vornübergebeugt schlendern. Und nicht so hastig. - Die Leute, die diesem armen Mann begegnen, staunen: »Armer Kerl, hat aber einen guten Schneider!«

Bei den meisten Leuten ähnelt die Firmung einem Anzug, und zwar einem solchen: Sie meinen oder tun sogar so, als könne man die Firmung an- und ausziehen wie einen Anzug, als könne man das Sakrament auch mal vergessen oder während des Urlaubs außer Kraft setzen. Richtig sitzen tut die Firmung so nie, denn sie ist nichts, das nicht unter die Haut geht. Aber sitzen, sitzen, das tun diese Leute meist, wohlgefällig, aber auch unschuldig, weil ohne jede Information gelassen, was Firmung wirklich ist.

Dir soll es nicht so ergehen, und Du hast einen guten Anfang gemacht, indem Du Dich erkundigst. Du hast auch mich gefragt, um meine Ansichten in Deine Überlegungen einzubeziehen, ob Du Dich demnächst firmen lassen willst.

Ich habe mich über Deinen Brief sehr gefreut und will versuchen, Dir ausführlich zu antworten. Dabei bin ich überzeugt, daß meine Antworten auch die der Kirche sind; zu unterscheiden ist ja immer zwischen der Kirche Jesu Christi und den vielen in der Kirche, die durchaus unschuldig ohne Durchblick sein können. »Viele, die drinnen sind, sind draußen und viele, die draußen sind, sind drinnen«, sagt ein alter Kirchenlehrer.

Ich nehme an, daß mein Brief den Zorn manchen Mitlesers erregen wird, mit wenig Bereitschaft zu ernsthafter Auseinandersetzung rechnen darf und mir nicht viel Ehre einbringen wird. Aber ich bin mir sicher, daß er nicht unehrenhaft wird.

Meine Antwort auf Deine Frage nach der Beichte hebe ich mir für einen späteren Brief auf; in diesem geht es dann nur darum, was die Firmung ist und welches Alter zum Empfang in Frage kommt.

Die Firmung ist wie alle anderen Sakramente sehr empfehlenswert; nutzt man bei ihr doch als einem Tun des Wortes Gottes unbegrenzter Zuwendung alle fünf Sinne, während man zuvor bei der Predigt, die jedem Sakrament vorausgeht, ohne die kein Sakrament wirklich zustandekommen kann, nur aufs Hören angewiesen ist (Röm 10,17). Hören des Wortes einerseits - Feiern des Wortes in Zeichen andererseits.

Jedes Sakrament ist aufs äußerste zu empfehlen. Wie sollte, was Jesus einsetzt, was Christus bezeichnet und gleichzeitig enthält, wie sollte das nicht empfehlenswert sein?!> - Wie also jedes Sakrament empfehlenswert ist, so ist doch kein einziges notwendig.

Ich bin gewohnt, daß richtiges Zuhören den Leuten meist schwerfällt. Oft schon ist aus »nicht notwendig« »überflüssig« geworden: Sakramente sind ganz und gar nicht überflüssig, die sieben sehr empfehlenswerten Sakramente sind nicht notwendig.

Der Mensch, der in der Predigt, die diesen Namen verdient, hört, daß auch er vom Heiligen Geist ganz und gar erfüllt ist und daß auch er sich dieser grenzenlosen Liebe Gottes zum Sohn wie zu ihm nur noch zu freuen braucht, der hört damit, nie allein zu sein. Auch in all den Situationen, die ihm Angst und Schrecken einjagen, kann er sich auf Gott ganz verlassen. Die Not, die er vor sich sieht, ist gewandt, gewendet, die Not, die er sieht, ist gewendet durch die grenzenlose Güte Gottes. Das Wort ist notwendig, und das glaubt er.

Das Wort schon, nicht erst das getane Wort, das Sakrament, läßt erkennen, daß die Not gewendet ist; das Tun dieses Wortes, das Sakrament, das sich später erst anschließen kann, ändert daran nichts mehr. Die Not ist schon gewendet. Ich kann ja nur etwas tun, dessen Bedeutung mir zuvor gesagt wurde. Schick Deinen kleinen Vetter, einen Hammer zu holen; wenn er das Werkzeug noch nicht auseinanderhalten kann, bringt er die Zange. Daß er es gut meint, reicht aber noch nicht zur Firmung …

Klug ist, wer sich dann der Sakramente bedient, die dieses Glauben des Wortes bis an die Grenze des Gemordetwerdens um des Wortes Gottes willen - und darum geht es in der Firmung - durch Einbeziehen aller fünf Sinne »erleichtern«.

In der Zeit der Urkirche waren Taufe und Firmung kombiniert; und der Tauf-Firmung ging eine lange Zeit des Katechumenats voraus.> - In unseren Jahren, in denen fast unmerklich die Kirche aus Europa längst verschwunden ist, ist es vielleicht an der Zeit, sich dieser Zeiten zu erinnern: Kirche kann nur gebaut werden, um das Wort können sich bis zum Ermordetwerden des Wortes Gottes wegen Bereite - darum geht es in der Firmung, um nicht weniger> - nur die scharen, die den Ernst der Lage zu sehen, die Situation aber nicht zu akzeptieren bereit sind. - Da nutzen nicht die, von denen Martin Luther sagt: »Sie tun zwar viel herumfahren und firmilieren, aber vom Worte Gottes verstehen sie nichts!«

Nach der Firmung kommt kein Sakrament mehr für Erwachsene. Das Sakrament der Firmung ist das Sakrament der in der Gemeinde gewachsenen Erwachsenen. - Zum weiteren Aufbau der Gemeinde. Wie willst Du Gemeinde aufbauen?!

In den nächsten Tagen wirst Du 4664 Tage alt, vermutlich wird es nur langsam Tag für Tag einer mehr. Jesus, der nicht firmte, der sich nicht einmal Zeit zum Taufen nahm, hatte unter seinen Aposteln keinen Deines jugendlichen Alters. Wohl hatte er sehr junge Freunde, die im Gegensatz zu manchen seiner Apostel das Evangelium verstanden hatten. Ich erinnere nur an meinen Freund, den kleinen Jungen mit den fünf Broten und zwei Fischen!> - Aber für die Auseinandersetzung seiner Gemeinden mit der Gesellschaft hat er in seiner Kirche Rennmaus-Besitzer noch nicht vorgesehen ...

Ein Altersgenosse von Dir, den ich in Hannover unterrichtete, geriet einmal in »meinen« Jugendgottesdienst, den ich jeden Montagabend »hatte«. Da der Junge evangelisch ist, fiel ihm auf, daß die Mädchen und Jungen im Gottesdienst mehrmals das Kreuzzeichen machten. Er fragte mich am nächsten Tag in der großen Pause, ich hatte Aufsicht, ob die alle bereit wären, für Christus zu sterben.

Er wußte, was er fragte: Daß das Wort Gottes grenzenloser Güte, dieses Erfülltsein vom Heiligen Geist, der Sohn Gottes selbst ist. Er hatte Zweifel, ob das alle, die da das Zeichen der Bereitschaft machten, für das Wort zu sterben, auch ganz verstanden hatten; er hatte auch Zweifel, daß die Mädchen und Jungen sich wirklich fragten, ob sie Gottes unendliche Zuwendung auch schon so gut bekanntmachten, wie sie konnten, daß sie also zwangsläufig auf Aggressionen stießen, daß sie ausgelacht und sogar bedroht wurden.

Es ist nicht möglich, das Wort zu sagen, ohne Anteil zu haben an diesem Ermordetwerden; das meint das Kreuzzeichen. Gnade ohne Kreuz gibt es nicht. Wer nicht ausgelacht und angefeindet wird, sagt das Wort Gottes auch nicht weiter. Das ist eine Gesetzmäßigkeit ohne Ausnahme. Außerhalb der Katakomben gibt es keine Christen.

Dieser junge Mann hat verstanden, was Sache ist. Wenn er zehn Jahre dabei geblieben ist, kann er sich gelegentlich konfirmieren lassen, aber nicht zu früh. Das heißt nichts gegen das jugendliche Alter mancher Zeugen Christi, die getauft sind und sich bemühen, in ihre Taufe auch hineinzuwachsen.

Paulus, der wirklich des Evangeliums wegen im Knast saß und nicht verdächtigt werden kann, dort wegen frommer Sprüche hingewollt zu haben, schreibt Timotheus, seinem jungen Freund, einmal:

»Niemand verachte Dich wegen Deiner Jugend; Du aber sei den Glaubenden ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit« (1 Tim 4,12).

Die Jesuiten sind eine Gruppe innerhalb der Kirche. Wir wollen alles besonders streng auf unsere Art haben und studieren daher auch etwas länger. Es gibt ein allgemeines Kirchenrecht und ein Ordensrecht, das sich die Jesuiten selbst gemacht und dann haben genehmigen lassen.

So kann man außerhalb der Gesellschaft Jesu zeitliche Ordensgelübde schon nach einem Jahr ablegen, bei uns dauert das Noviziat erst einmal doppelt so lange. Damit das Ordensrecht nicht Streit bekommt mit dem allgemeinen Kirchenrecht, mußte ein Weg gefunden werden, daß Jesuiten sowohl ihrem Ordensrecht entsprechend nach zwei Jahren ihre ewigen Gelübde ablegen, als auch nach dem allgemeinen Kirchenrecht ihre nicht zeitlichen, sondern ewigen schon nach einem Jahr.

Die Gelübde sind wie die Firmung eine öffentliche Angelegenheit. Deine Rennmäuse können nicht gefirmt werden, weil sie für unsere Ohren nicht verständlich sagen können: »Hiermit erkläre ich feierlich und vor den Zeugen der Gemeinde, daß ich eher für Christus sterben will, als ihm abzuschwören, daß ich lieber mit Jesu Wort eingesalbt sein will von oben bis unten, so daß alles Böse von mir abglitscht, als daß ich in der Auseinandersetzung zwischen Gemeinde und Gesellschaft den bequemen Weg gehe.«

Ich jedenfalls werde Deine Rennmäuse nicht um Rat fragen; aus ihrem »treuen« Blick erwarte ich mir keine für mich verständliche Antwort. Daß ich nichts gegen Deine Rennmäuse habe, ganz im Gegenteil, kannst Du an dem Futter ersehen, daß ich Kamikaze schickte - natürlich ohne Begleitbrief; die liebe gute brave Maus kann unsere Schrift ja nicht lesen, und vor lauter Firmvorbereitung kommst Du womöglich gar nicht dazu, Deinen Rennmäusen meine Briefe vorzulesen.

Für die Jesuiten wurde der Weg der Devotionsgelübde gefunden, nichtöffentliche Gelübde nach einem Jahr mit Erlaubnis der Oberen. Ihnen folgen die öffentlichen Gelübde nach zwei Jahren, wie sie dem Ordensrecht entsprechen. Natürlich habe ich ungeduldig, wie ich bin, auch die nichtöffentlichen Gelübde schon ein Jahr nach Noviziatsbeginn abgelegt. Davon wußten dann nur Gott, der Novizenmeister, die übrigen Oberen und ich. Ich rate Dir dringend ab, Dich schon in Kindermokassins firmen zu lassen; ich rate Dir aber dringend, Dich täglich von Gott persönlich firmen zu lassen> - nichtöffentlich, aber genauso wirksam. -

Neulich hattest Du ein Pflaster auf der Nase, es putzte wirklich ungemein. Vielleicht tust Du ab und zu Nivea ins Gesicht> - Rasierwasser eben noch nicht, das ist es ja eben! - aber so lange brauchst Du nicht zu warten. Du kannst auch bei Wasser, Seife oder Luft sekundenschnell denken:

»Genauso wie ich dieses Wasser, die Luft, Nivea wirklich an mich heranlasse, so will ich vom Geist Gottes gern durchdrungen sein, um jeder Auseinandersetzung mit Kirchenfremden gewachsen zu sein und nicht nur das, sondern die Auseinandersetzung auch auf mich zu nehmen, damit aus Fremden Freunde werden.«

Wie viele Sekunden brauchst Du für diesen Gedanken? Du brauchst ihn nicht einmal auszuformulieren - den Gedanken kannst Du viel schneller denken als in Worten auszuformulieren. - Nichtöffentliche, aber tägliche Firmung! Was willst Du mehr?!

Wer so nicht jeden Tag denkt, macht aus seinem Gefirmtsein gar nichts. Mehr als Theater war es dann wohl auch nicht. Was vor dem Uhrenempfang geschah - anläßlich des Festes, das man eh noch nie verstand … - Jedenfalls hat er nichts davon, gefirmt zu sein.

Er merkt es gar nicht, daß Gott selbst ihn sowohl aus dem Mund des Bischofs als auch aus dem der Gemeinde täglich um Rat fragt, was zu tun ist, damit Gottes längst komplettes Reich überall bekannt wird. Wer aber sein tägliches Erleben im Alltag gar nicht als diese Frage Gottes interpretiert, hat von der Menschwerdung seines Sohnes nichts. Die erfolgt nämlich ausschließlich dazu, mit anderen zu überlegen und zu entscheiden, was zu tun und zu lassen ist, Gottes einzigen Willen zu erfüllen, seine unendliche Liebe bekanntzumachen.

Die Frage der Gemeinde, dieselbe des Bischofs, kommt nicht per Post, sie wird auch selten auf einer Versammlung gestellt. Diese Frage steht unausgesprochen hinter allem, was Du erlebst, hinter allem. Da will gut gehört werden im Alltag, gut und lang trainiert gehört ...

Du mußt nicht Opa sein, um die Probleme in der Auseinandersetzung zu verstehen, die der Opa hat zwischen dem Bewahren des Bewährten und der Aufgeschlossenheit dem Neuen gegenüber. Aber Du mußt eben vor der Firmung wissen, was sich warum bei wem bewährt hat, was warum für wen probeweise mal in Frage kommt. Du mußt dann wissen, wie man so etwas Neues in Gang setzt, zu welchem Zeitpunkt, in welchem Saal. Wer helfen kann, weil er einen Führerschein hat, wer Verbindung zur Lokalpresse hat usw. All das wissen viele, bevor sie Opa sind; aber in der Regel gehören Besitzer von Rennmäusen noch nicht zu denen mit eigenem Fernsprechanschluß.

Wenn Du eines Tages mal ein paar Rennmäuse verschenkt haben wirst, obwohl Du selbst schon lange keine mehr hast, dann kannst Du Dich firmen lassen. Zum Beispiel um junge Leute davon abzuhalten, mit zwölf nicht nur zur Freiwilligen Feuerwehr zu gehen, sondern auch mit in den Einsatz zu fahren > - d. h. nicht nur zu wissen, was Firmung ist, sondern sich auch schon firmen zu lassen.

Dann kannst Du auch Opas firmgemäß raten, was zu tun ist, das Reich Gottes durch sie aufzudecken. - Könntest Du jetzt schon einem Opa, der Jahrzehnte hörte, das Reich Gottes sei zu bauen, den Unterschied zwischen »bauen« und »aufdecken, daß es längst da ist«, da Gott keine halben Sachen macht, erklären? Daß die Vaterunserbitte »Dein Reich komme« längst erfüllt ist und unser Versprechen meint, es aufzudecken? - Jetzt schon? - Der Opa schmeißt Dich raus.

Kannst Du schon für die Gemeinde den Mund auftun? Fürbitten sprechen, ohne mit Recht ausgelacht zu werden? Du kannst das am Muttertag tun, aber Du kannst nicht der Gemeinde Deine Stimme leihen, Fürbitten sprechen, nachdem die Gemeinde überlegt hat, was die Soldaten tun sollen, um den Krieg in Sarajewo zu beenden. Sollen sie etwas tun? - Na, also. Der UNO-Vertreter erwartet Deinen Rat noch nicht. Unsere Demokratie läßt zu, daß wir ihm unseren Rat aufzwingen, aber Deinen noch nicht.

Wie viele Leute hast Du nach Diebstahl, Verleumdung oder Herzinfarkt schon getröstet? Es gibt keine Gemeinde, in der Ehebruch, Ehrabschneidung und Ehrverlust durch Richter nicht vorkommen. Gott will dann durch Dich trösten, ermuntern und wieder aufhelfen. Bevor Jesus dem Wunsch seines Vaters entsprechen konnte, den er zuvor aber schon genau kannte, war er vierzig Tage in der Wüste, machte Abitur, Zivil- oder Soldatendienst usw. Er trug sich mit ganz bestimmten Heiratsplänen, verwarf sie wieder usw.

Kannst Du das Wort Gottes im Gottesdienst so vorlesen, daß die Leute in Deiner Lesung die Lesung des Lektors vor Dir genau wiedererkennen - Ihr lest ja genau dasselbe, das »Gesetz und die Propheten« heißt bei uns nicht Erstes Testament, sondern Altes Testament? Wir lesen das »Gesetz und die Propheten«, wie Jesus es las, nämlich relativiert, universalisiert und erfüllt. Das Ergebnis dieser Sichtweise ist das Neue Testament: In der gesamten Bibel steht nichts anderes als auf Millionen verschiedene Arten, daß Gott nicht liebt, sondern absolut zuverlässig liebt.

Kannst Du so wie Jesus betonen, damit jede Seite der Schrift deutlich wird als dieselbe Urkunde unseres Glaubens der unbegrenzten Güte Gottes wie die vorige Seite und die nächste? Das Wort, für das man bereit sein will zu sterben, muß man doch mindestens lesen können.

Das Wort Gottes will nicht nur richtig und sogar gut gelesen sein, es will zuvor von gutgemeintem Geschwätz unterschieden sein. Ich kenne kein einziges Religionsbuch für Schüler, keine Fibel zur Erstkommunion- und Firmvorbereitung, das nicht vor dummem Zeug nur so strotzt und sich selber auf jeder Seite widerspricht, auf jeder.> - Wo ein Appell auftaucht, ist das Wort Gottes schon weit weg. Es ist ja das einzige Wort, das keinerlei Aufforderung enthält, das sich mit keinem Appell verträgt - die bringen wir Menschen alle mit - das Wort Gottes aber ist Gott pur.

Unser Wort über uns, das Gott sagt, befreit dazu, den vernunftgemäßen Aufforderungen, Appellen, Bitten und Gesetzen zu entsprechen. - Die Autoren der erwähnten Bücher gleichen Kommunisten; bei denen ist Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit. Christen kennen dazu aber noch die Kraft, die sie dieser Notwendigkeit auch begegnen läßt und entsprechen.

In der Gemeinde - nach außen sagt sie das Wort weiter, nicht der Pfarrer, der dazu gar nicht da sein darf - innerhalb der Gemeinde selbst sagt einer dem anderen bestätigend das Wort Gottes erneut. Wo das nicht geschieht, ist keine Gemeinde. Denn Gemeinde Jesu Christi ist nichts anderes, gar nichts anderes als das Geschehen des Wortes Gottes, das Geschehen unseres Wortes über uns. - Sag, wo willst Du Dich eigentlich firmen lassen? Wirst Du nicht schier unendlich viel Zeit brauchen, erst einmal eine Gemeinde zu finden?

Gemeinde ist das Miteinander erwachsener Gemeindemitglieder, solcher Menschen, die sich fraglos als je alter Christus verstehen, als je anderer Christus, der in jedem Menschen wohnt. - Die meisten (»Gemeinde«-) Menschen bekamen es nur noch nicht gesagt, weil die Informierten falsche Rücksicht - gegen die Liebe! - auf die »Gegebenheiten« nehmen. In der Firmung wird man aber öffentlich in die Gemeinde Jesu aufgenommen; der Firmling verspricht, ganz zur Verfügung zu stehen, das nicht nur zu wollen; die Gemeinde verspricht, den Firmling wirklich durch Frage und Rückversicherung in Anspruch zu nehmen und das auch nicht nur zu wollen.

Wenn Martin (Luther) niedergeschlagen war und mutlos und keinen Weg mehr sah, schrieb er mit weißer (Schul-) Kreide quer über seinen Tisch: »Ich bin getauft!« - Martin schrieb nicht: »Ich bin gefirmt!«

Wenn es gelungen sein sollte, Dich mit Argumenten vom baldigen Firmenlassen Abstand nehmen zu lassen, werde ich gewiß kein schlechtes Gewissen haben, auch dann nicht, wenn Du im Alter von etwa 20 Jahren, dem meiner Ansicht nach frühesten Termin für dieses Sakrament, doch darauf verzichten solltest, dieses Sakrament zu empfangen. Daß Du dann ganz schön saublöd bist, hoffe ich, Dir in diesem Brief vermittelt zu haben.

Bete, dann erkennst du Dich als der, als der Du Dich siehst, als der, als den Dich die anderen sehen, und drittens sogar als den, als den Gott Dich sieht. - Sollte Dir eine der drei Sichtweisen mal nicht ganz zusagen, nutze das Sakrament der Sündenvergebung; da sitzt Du nicht in der Menge, der gesagt wird, daß Gottes Liebe zu jedem unendlich ist, da bekommst Du das ganz allein gesagt und kannst gar nicht anders, als das wirklich auch auf Dich persönlich zu beziehen. Du bekommst es insofern ganz persönlich gesagt, als Du es Dir in bezug auf Deine eigenen Gründe sagen läßt, derer Du Dir bewußt geworden bist.

Dann empfange, was Du bist: Leib Christi: Wie ich dieses Stückchen Brot ganz und gar in mich hineinlasse, will ich vom Heiligen Geist gern durchdrungen, gern ein Sohn Gottes sein, dem er keinen anderen vorzieht. Wie bei der Beichte gestern, als ich ganz für mich allein hörte, daß Gott gar keine andere Liebe für mich hat als die zu seinem Sohn.

Du solltest eine Vorliebe für das Beichten - alle vier, fünf Wochen - entwickeln, noch bevor Du die Praxis aufgenommen hast. Ich wußte auch, daß Schwimmen die herrlichste Sache der Welt ist, bevor ich schwimmen konnte. - Wenn Du beichtest, wirst Du einmal der sein, der Du tatsächlich sein und dann geworden sein willst. Sonst nicht, das garantiere ich Dir aus 7570tägiger Erfahrung.

Die dümmste Sünde ist übrigens die, sich zu früh gefirmt haben zu lassen. Die zweitdümmste Sünde> - bei jeder gibt man unsachgemäß einer Angst nach - die zweitdümmste Sünde ist die, Kinder nieder und gefügig zu firmen, weil man sie später nicht mehr zusammenkriegt. Da haben wohl manche jetzt schon nicht alles beisammen; Angst ist ein schlechter Ratgeber, man begegnet ihr mit dem Wort Gottes, das alle Angst entmachtet erscheinen läßt, was sie ja auch ist …

PS
Wenn Du die Argumente dieser Zeilen mit Leuchtstift wieder einsammeln willst, brauchst Du sie nicht auf 37 Zettelchen zu schreiben, wie sie bei mir am Ausgangspunkt des Briefes standen; sortier sie in die Schublade Gemeinde. Die hat nur vier Unterabteilungen, keine kann bei einer Gemeinde Jesu fehlen: ma-di-li-koi:

mártyria - díakonia - líturgia - kóinonia
Zeugnis für Christus, das Wort grenzenloser Liebe
Dienst aus diesem Wort, der Göttlichkeit des Menschen wegen
Dienst Gottes, für gewöhnlich Gottesdienst genannt, wie gewöhnlich
Heilige Mafia, die wie Pech und Schwefel zusammenhält - wie Gott und Mensch

PPS
Brief kommt von brevis, kurz … Neben mir liegt eine 240 Seiten starke Fibel zur Firmvorbereitung aus Paderborn; eine Definition des Sakraments sucht man vergeblich …

Domini sumus
Das Weitere findet sich

Ganz herzlich Dein