Niemand

kann Jesus den Herrn nennen
außer durch den Heiligen Geist
(1 Kor 12,3)

Viele, die drinnen sind, sind draußen,
und viele derer, die draußen sind,
sind drinnen!

 

Johannes 20
19 (Mk 16,14-18; Lk 24,36-49) Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen.
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den heiligen Geist!
23 Welchen ihr die Sünden erlaßt, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.


Zu Pfingsten kommt der Prediger
1 mit einer erfreulichen Nachricht: Der Heilige Geist hat abgesagt,
2 in zwei erfreulichen Bildern: Sturm und Feuer, und
3 mit drei erfreulichen Merkmalen: eindeutig, verständlich und wirklich.

1 Das Ende dieses Schuljahres wird hoffentlich bald kommen. Das Ende der Sommerferien wird wie immer viel zu früh kommen. Das Ende dieser Nachkriegszeit wird wahrscheinlich kommen, ein neuer Erzbischof der erzprogressiven Erzdiözese Köln wird bestimmt kommen. Nichts in dieser Welt, das nicht unzuverlässig kommt oder nicht kommt. Einer allein kommt zuverlässig nicht: Der Heilige Geist.

Die vielen farbigen Kirchenfenster, die den Heiligen Geist sich ausgießend zeigen wollen, sind Gestalt gewordene Mißverständnisse: Er kommt nicht, er gießt auch nicht.

Die literarischen Krücken »ausgießen«, »kommen«, »niederlassen« und »verteilen«, »erfüllt werden« und »empfangen« sind abgenutzt. Sie sind genau in dem Maß untauglich geworden, in dem sich sachgemäße christliche Verkündigung immer häufiger nur an Ersthörer wenden kann. Eingeweihte Insider mögen damit umgehen können, sie sind gehfähig und bedürfen keiner Krücken.

Wenn einer immer schon da ist, dann ist es der Heilige Geist, die Liebe< Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn. - Da wir hier »kommen« aber nicht mehr verwechseln mit »zur Erscheinung kommen«, kann ich weitere Worte sparen, die doch nur als Polemik erscheinen - bei allen, die es eben noch nicht verstanden haben. Der Heilige Geist ist der einzige, der bleibt. Der einzige, der nicht mal so und mal anders, nicht mal hier und mal dort agiert. Der Geist weht, wo er will (vgl. Joh 3,8), also überall.

Einmütig bestürmen sie uns: »Nehmt sie, buchstäblich um des Himmels willen nehmt diese Wachsmalstifte! Malt damit das ganze Blatt blut- und leuchtend rot, übermalt es mit Eurem dämlich-griesgrämlichen Grau und Schwarz, nehmt ein Messerchen und zeigt: Er war schon da!« Wer sich den Heiligen Geist sagen läßt, auf den »kommt« er, auf den »kommt er nieder«, den »erfüllt« er. - Wer den Heiligen Geist begeistert bejaht, aus dem spricht er. Wer seinem Widerstand gegen den Heiligen Geist absagt, dem sagt er sich zu. Wer seinem Widerstand gegen den Heiligen Geist nicht absagt, dem sagt er sich auch zu. Der Geist weht, wo er will.

Man betont entweder die Erstinitiative Gottes, dann kann man mißverstanden werden, als überlegte Gott sich's manchmal gründlicher, mal gar nicht. Oder man betont die antwortende Initiative des Christen, das Aufdecken des Heiligen Geistes, das Predigen als Entscheidung des Menschen selbst, dann kann man in den Verdacht geraten, man meine, der Geist wehe, wo wir wollen.

Wachsmalstifte taugen zur Zeit als Bild. Ob in hundert Jahren noch, kann in Geduld abgewartet werden. Es hängt vom menschlichen Geist ab, der zwar überhaupt nichts Erwähnenswertes zu vermelden hat, da Gottes Geist das Wort hat, der aber meistens doch redet und redet … - Gottes grenzenlose Liebe, der Heilige Geist, hat jeglicher Begrenzung abgesagt. Zeit und Raum und unser Verhalten darin grenzen grenzenlosen Geist nicht ein. Die erfreuliche Nachricht. - Das Evangelium sollte uns zusagen. - Sagen wir ab, bleibt uns die Sprache weg. Gott nicht.

2 Der Kapitalismus dringt wie Wasser überall durch - auch in die Sowjetunion. - Neulich hat man am Ural Lastwagen voller Dosen, die zu nichts nutze schienen, einfach mit Schildern beklebt: »Luft aus Köln«. Die Dinger gingen weg, wie sie bei uns gingen. - Einige unter uns können eines Tages unseren Neugetauften Luft aus dem Jahre 1994 schenken, wenn sie Geburtstag haben und fünfzig werden. Aber fangen Sie doch mal Sturm ein! - Unverfügbar!

Sie können Wasser abfüllen, aber keinen Bach. Bringen Sie mir einen Wald. Dann schenke ich Ihnen einen Baum. Der Heilige Geist ist für die Gesamtheit der Schöpfung unteilbar, undosierbar. Der Heilige Geist ist kein Gift, er ist nicht Welt, die, falsch dosiert, immer Gift ist. Der Heilige Geist ist kein Gift. - Es sei denn, man beherrscht die Sprache der angelsächsischen Engel: »gift« heißt dann Geschenk. - Ein Fest wie das heutige wert!

Das zweite Bild. - Unser braver Evangelist Lukas, der in seiner ärztlichen Praxis nach Feierabend auch die Apostelgeschichte verfaßte, hat sich seine Heiligkeit auch nicht anders bewahren können als wir: Durch Mißverständnismöglichkeiten und tatsächliche Mißverständnisse hindurch - Kaum hatte er das Bild des Sturmes zu Papyrus gebracht, blitzte es in ihm: »Wenn sie nun verstehen, daß Gottes Geist der Gesamtheit nicht verfügbar ist, daß er die eigentliche Bewegung aller ist und niemand dagegen an kann, werden sie womöglich in die falsche Richtung weiterdenken und folgern, daß das kleine Individuum dann wohl restlos verloren ist.

Ich will ihnen aber doch gerade sagen, daß ich nicht Kommune meine, sondern Kommunio, nicht Kollektiv, sondern Gemeinde. Damit sie sagen können: Das »gift« ist wirklich aller Ängste Gift, jedes Einzelnen Sorge ist längst entsorgt. Der Heilige Geist nimmt jeden menschlichen Geist ernst, jedes Individuum wie sich ernst.

Wenn Sie sich schon eines Tages mehr Gedanken um den Gottesdienst im engen Sinn statt um den im weiten Sinn machen werden, sollen sie fröhlich und verständig antworten: »Und mit Deinem Geist!« - und nicht etwa nur: »Und mit Dir!« - Jeder soll verstehen können, daß jeder jeden meint: unverwechselbar. - Was ergreift erkennbar jeden? - Ich hab's: Feuer!

Der Heilige Geist kommt einerseits für die Gesamtheit der Fläche durchs Wegkratzen, wie anderseits auch jedes einzelne Stück leuchtenden Rots durchs Aufdecken kommt: Für die Gesamtheit der Kirche kommt der Glaube vom Hören (Röm 10,17), und für jeden Einzelnen in der Gemeinde kommt er auch nur vom Hören. - Das Feuer ist ein Bild für jeden Getauften. Der Wind, der alle und alles mitreißt, ist ein Bild des Predigers.

Tausch ist jederzeit erlaubt, der Heilige Geist ist derselbe: Für Jesus wie für den Papst, für Frauen wie für Männer, für Ministrantinnen also wie für Ministranten, für Kleriker, die teilhaben am allgemeinen Laienstand. Sie erhalten auch die Absolution nur von einem anderen und die Krankensalbung ebenfalls. Der Heilige Geist ist auch derselbe für Laien aus dem allgemeinen Priestertum. Sie bestätigen nicht die Gemeinde, wohl aber predigen sie der Welt. Der Heilige Geist ist allen gemeinsam. Sagt jedenfalls Lukas.

Man lasse sich mal einen Satz auf der Zunge zergehen, der nicht von Lukas ist: Die Laienpredigt ist verboten.

3 Die drei Merkmale
a »Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den Heiligen Geist« (1 Kor 12,3). - Die katholische Kirche unseres Jahrhunderts sagt: »Zwischen allen, die an Jesus Christus glauben, besteht eine wahre Verbindung im Heiligen Geist« (II. Vatikanum, Lumen gentium, Nr. 15). - Mehr geht doch gar nicht! Aber fragen Sie mal, was üblicherweise unter Oekumene verstanden und was da alles gewurschtelt wird!

b Die verschiedensten Dienste der Christen sind immer wieder Christus: Aber auch nicht einer der Christen läßt sich bedienen, es sei denn, daß gerade auch darin Dienst am anderen zum Vorschein kommt: Alle Gaben der Christen dienen Christus: selbstverständlich verständlich.

c Nur der Heilige Geist selbst ist der Dienst persönlich an der Einheit, das aufdeckende Predigen unbegrenzter Liebe. Nichts als die Liebe Gottes ist bedingungslos geschenkt, nichts außer dem Heiligen Geist ist nicht mühsam wirksam, sondern »reich«, »kraft«voll und »herrlich« wirklich.


Pfingstsonntag
Apg 2,1-11; 1 Kor 12,3b-7.12-13; Joh 20,19-23